Auffallen ja – aber bitte mit Niveau!

Ein „zeitgemäßes Bild vom Handwerk“ wünscht sich der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Holger Schwannecke. In einem jüngst erschienenen Interview kritisiert er die mediale Verbreitung von Vorurteilen dem Handwerk gegenüber. Da würden bspw. in der Berichterstattung häufig noch veraltete Vorstellungen des Handwerks transportiert, die nichts mehr mit modernem, digitalem und hoch technologisiertem Handwerk zu tun hätten. Ich stimme Herrn Schwannecke da voll und ganz zu – keine zwei Meinungen. Das Handwerk kämpft noch immer gegen Vorurteile wie harte körperliche Arbeit und geringe Entlohnung. Eine der Aufgaben von Herrn Schwannecke und mir ist es daher, die Aufmerksamkeit auf das Handwerk zu richten und dessen Wahrnehmung in unserer Gesellschaft positiv zu verändern.

Anders als die anderen

In meiner Tätigkeit als Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf koordiniere ich für unser Haus die Öffentlichkeitsarbeit mit all ihren Facetten. Seien es die eigenen Unternehmensmedien, Presseveröffentlichungen, Veranstaltungsformate, unsere Social Media- Aktivitäten – egal was, wir versuchen immer es anders als andere und natürlich auch etwas besser und zeitgemäßer zu machen. Damit fallen wir auf und haben Erfolg. Sie lesen schließlich gerade meinen neuen Blogartikel 🙂

Wir wissen sehr genau, auf welchem Kommunikationskanal wir welche Zielgruppe erreichen und wie wir diese angemessen ansprechen. So haben wir für Schülerinnen und Schüler mit einem wöchentlichen Live-Chat auf Instagram ein einzigartiges Format der YouthCraftFactory geschaffen, um sich über die Ausbildung im Handwerk zu informieren und online auszutauschen. Mit vielen weiteren Aktionen sicher mit ein Grund, warum wir in unserem Kreis „nur“ einen Rückgang der abgeschlossenen Ausbildungsverträge um 4,8 Prozent zum Vorjahr haben, während es im gleichen Zeitraum in NRW im Handwerk ein Minus von zehn Prozent sind.

In unserer auffällig anders gestalteten Mitgliederzeitung BLICKPUNKT muss man die informativen Artikel und ansprechenden Bilder nicht in einem Wald von Werbeanzeigen suchen. Das Einzige, was unseren Innungsbetrieben „verkauft“ werden soll, ist die Vielfalt des Handwerks und der Aktivitäten der Kreishandwerkerschaft, um das wahre Handwerk den Menschen nahe zu bringen. Wir geben bewusst die Gestaltung unserer Mitgliederzeitung nicht an eine externe Agentur, die dann zur Finanzierung ihrer Arbeit Betriebe anruft, um zahlreiche Werbeanzeigen zu platzieren.

Authentisch bleiben

Doch zurück zum Anfang: Ich möchte betonen, dass ich Herrn Schwannecke persönlich sehr schätze, aber wenn der werte Kollege in dem Interview beklagt, dass häufig nur „körperliche Facetten“ des Handwerks präsentiert würden, dann möchte ich darum bitten, über eine Sache, die mir seit Jahren Dorn im Auge ist, nachzudenken: Wenn „Das Handwerk“ seit Jahren einen Kalender wie den zur Wahl der Miss und des Mr. Handwerks zulässt, darf man sich meiner Meinung nach nicht beschweren. Weg von körperlichen Facetten sieht anders aus. Haben Sie sich den Kalender mal angesehen? Schauen Sie sich ihn mal an.

Nicht unser Handwerk

Seit zehn Jahren in Folge (!) gibt es das Ding, aber leider auch immer noch viele andere Kalender unterschiedlicher Firmen, die so etwas immer noch interessant und zeitgemäß finden. Da werden jeweils zwölf junge Frauen und Männer präsentiert, wie sie ihr Handwerk leben – die Damen selbstverständlich bauchfrei und mit freizügigem Ausschnitt. Aber auch die Herren tragen Achselshirts und zeigen in angespannter Haltung beim Werkzeugstemmen ihre Muskeln. Körperlicher geht es fast nicht. Aus meiner Sicht wird es auch nicht besser, wenn man die Aktion gut gemeint „Germanys‘ Power People“ nennt. Ich freue mich natürlich, dass wir junge Vorbilder im Handwerk haben, die sich durchaus so zeigen können und ich beglückwünsche die jungen Leute, die es in den Kalender schaffen, dennoch sehe ich uns als Handwerk hier in der Pflicht. Ich bin einer der größten Befürworter unserer Imagekampagne im Handwerk, daher geht es mir heute nur darum die Frage zu stellen, ob das der richtige Weg ist, uns als „Wirtschaftsmacht. Von nebenan“ zu präsentieren? Ist dieser Titel Miss oder Mr. Handwerk wirklich eine erstrebenswerte Auszeichnung für junge Handwerkerinnen und Handwerker? Das ist doch nicht unser Handwerk! Auf der einen Seite wollen wir offen und tolerant sein: „Uns ist egal, wo du herkommst und wie du aussiehst“. Auf der anderen Seite fallen wir dann um Jahre zurück: „Setz dich mal breitbeinig auf die Malerleiter und beug dich nach vorne“. Auf welchem Niveau bewegen wir uns denn da?

Das Handwerk kann sich nicht über unzulängliche mediale Berichterstattung und dort projektierte Vorurteile beschweren, wenn es selbst nicht mit der Zeit geht. Und da trägt auch jeder einzelne Handwerksbetrieb Verantwortung. Es gibt immer noch Stellenanzeigen, in denen eine leicht bekleidete Frau fragt: „Heute schon ein Rohr verlegt? Dann komm in unser Team!“ Wenn ich so sowas sehe, hätte ich auch gerne ein Rohr – aber nicht zum Verlegen.

In diesem Sinne: niveauvolle Grüße!

Ihr Frank Tischner