Ehrenamtliche Angelegenheiten

Ehrensache! – Wer das sagt, erklärt mit wenigen Worten, was für ihn selbstverständlich ist. Dabei sind echte Ehren-Sachen in der heutigen Gesellschaft leider alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Nehmen wir das Ehrenamt. Früher eine Selbstverständlichkeit für viele Bürger. Und heute? Da wissen Wohlfahrt, Politik und Vereinswesen nur zu gut ein Lied davon zu singen, was der Rückgang des ehrenamtlichen Engagements bedeutet.

Das schwindende Interesse am freiwilligen Einsatz zum Wohle der Gemeinschaft ist eine Wahrheit unserer sich rasant wandelnden Arbeits- und Lebenswelt. Ich bin sicher nicht der Einzige, der zuweilen das Gefühl hat, dass sich diese Welt immer schneller dreht und der Kitt der Gesellschaft sich aufzulösen droht. Die Anforderungen an den einzelnen steigen – beruflich wie privat. Aber: Je mehr der einzelne dank Social Media und WhatsApp für alle verfügbar ist, desto geringer ist scheinbar sein Interesse, für andere da zu sein. Ehrenamt? Das ist für weite Teile der Bevölkerung schon lange keine Ehrensache mehr.

Auch wir im Handwerk bekommen diesen Trend zu spüren. Eine große Stärke unserer Branche war und ist die berufsständische Selbstverwaltung. Es sind die Unternehmer selbst, die in Innungen und Kreishandwerkerschaften zum Beispiel bei Ausbildungsinhalten, im Prüfungswesen und bei der Tarifgestaltung ein gehöriges Wörtchen mitzureden haben.

Und: Das ehrenamtliche Engagement in der berufsständischen Selbstverwaltung trägt enorme wirtschaftliche Früchte. Denn die Duale Berufsausbildung ist und bleibt ein Garant des wirtschaftlichen Erfolgs unseres Landes. Wenn wir als Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf unseren Partnern in internationalen Bildungsprojekten davon berichten, ernten wir in der Regel ungläubiges Staunen nach dem Motto: „Was, bei euch arbeiten die Chefs ehrenamtlich mit?“ Andernorts ein unvorstellbares Szenario!

Dass sich dieses ehrenamtliche Engagement lohnt, lässt sich an der ein oder anderen Stelle doch in Cent und Euro belegen. So trägt die duale Berufsausbildung hierzulande maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg bei. Und auch die ehrenamtliche berufsständische Selbstverwaltung des Handwerks rechnet sich. Eine aktuelle Studie des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen zum ehrenamtlichen Engagement von Arbeitgebern im Handwerk in NRW von 2017 nennt Zahlen: Der Nettonutzen der ehrenamtlichen Tätigkeit von Arbeitgebervertretern in der Selbstverwaltung von Handwerksorganisationen in NRW beträgt stolze 20 Millionen Euro im Jahr, hinzu kommt noch der gleiche Wert, geleistet von Arbeitnehmervertretern.

Wer sich im Handwerk ehrenamtlich engagiert, ist in der Regel auch in anderen Bereichen der Gesellschaft unentgeltlich für andere da. Denn 86 Prozent der mit Selbstverwaltungsaufgaben betrauten Ehrenamtlichen im Handwerk in NRW engagieren sich auch außerhalb von Kreishandwerkerschaften, Innungen und Kammern. Sei es im Brauchtumswesen, in kirchlichen und caritativen Einrichtungen, in der Kultur oder Wirtschaftsvereinigungen außerhalb der Handwerksorganisationen. Damit leisten sie einen wertvollen Beitrag zum Wohle vieler und letztlich auch zum Zusammenhalt der Gesellschaft.

In diesen Tagen verleihen wir als Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf gemeinsam mit der Volksbank eG im Kreis Warendorf den Förderpreis „Junges Handwerk“. Wir zeichnen junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Handwerksbetrieben aus der Region aus, die sich in ihrer Freizeit unentgeltlich für das Gemeinwohl stark machen. Bei der großen Anzahl an vorliegenden Bewerbungen haben wir gesehen, wie breit die jungen Menschen im Ehrenamt aufgestellt sind. Die Preisverleihung ist für uns als Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf ein Bekenntnis für das Füreinander und Miteinander – im Handwerk und darüber hinaus. Weiterhin ist es für uns die Hoffnung, dass Ehrenamt auch in der neuen Generation „sexy“ ist und wir weiterhin auf diese Säule in der Dualen Ausbildung setzen können.

Ich werde oft gefragt: Ehrenamtlich mitarbeiten in der Innung? Was bringt mir das? Dann kann ich nur versichern: Eine ganze Menge! Als da wären: Die Garantie, dass die Arbeitgeber des Handwerks auch in Zukunft ein gehöriges Wörtchen werden mitreden können. Freude an der Begegnung und der fachliche Austausch mit Kollegen aus der Branche. Die Gewissheit, mitzugestalten und teilzuhaben an Veränderungsprozessen rund um den Beruf. Die Chance, politisch Einfluss zu nehmen anstatt duldend und klagend vieles hinzunehmen. Das Bewusstsein von Zusammenhalt, denn ehrenamtlicher Einsatz trägt maßgeblich zum Miteinander unserer Gesellschaft bei. Und nicht zuletzt: ein gutes Gefühl. Wer sich für andere einsetzt, tut auch immer etwas für sich selbst. Er verschafft sich die Gewissheit, dass sein Einsatz zwar unentgeltlich, aber ganz bestimmt nicht vergeblich war.

Ich bin fest davon überzeugt: Ohne den ehrenamtlichen Einsatz in so vielen unterschiedlichen Bereich, wäre unser Land ein anderes. Es wäre ärmer: im wirtschaftlichen, gesellschaftlichen wie im ideellen Sinne. Und es wäre sozial sehr viel kälter. Denn noch immer ist das Ehrenamt der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Angesichts der zunehmenden Individualisierung in unserer digitalen Welt und zunehmender radikaler politischer Tendenzen haben wir Solidarität mit anderen nötiger denn je!

Ihr

Frank Tischner

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