Handwerksrolle

Normalerweise denkt man bei „Handwerksrolle“ an das Verzeichnis, in dem sich Handwerksbetriebe eintragen lassen müssen. Heute möchte ich über einen anderen Kontext sprechen. Handwerker sind keine Schauspieler – auch, wenn mir in der sehenswerten WDR-Doku-Serie „Passt, wackelt und hat Luft“ über Azubis im Handwerk schon so manches Talent aufgefallen ist. Handwerkerinnen und Handwerker arbeiten auch nicht für eine Millionengage oder bekommen den roten Teppich ausgerollt, obwohl ihre Leistungen durchaus filmreif sind. Umso mehr Mühe geben wir uns bei der Kreishandwerkerschaft Steinfurt Warendorf, um die Menschen im Handwerk und ihre Verdienste für dieses wertschätzend zu würdigen.

Kürzlich hat die Freisprechungsfeier der neuen Gesellinnen und Gesellen stattgefunden. Große Bühne, Musik, Prominenz – zugegeben, der rote Teppich fehlte. Doch der wurde den jungen Menschen auf andere Art und Weise ausgerollt. So durfte ich vor Ort zahlreiche Betriebsinhaber und Ausbilder begrüßen, die mit stolzer Brust ihre erfolgreichen Auszubildenden zur Feierstunde begleiteten. Zwei bis drei Jahre waren sie während der Ausbildungszeit stets an ihrer Seite und wollten den feierlichen Höhepunkt nicht verpassen. Keine Selbstverständlichkeit! Der Betrieb wird früher geschlossen, man verzichtet auf Umsatz, „nur“ um bei der Freisprechungsfeier dabei zu sein.
Es macht auch etwas mit einem, wenn der 22-jährige YouTuber Pascal Martin als Gastredner vor Ort in Richtung frischgebackener Gesellen sagt: „Schaut auf das, was ihr geschafft hat. Ihr habt eine Ausbildung abgeschlossen.“ Eine Generation auf Augenhöhe, der Applaus der 700 Gäste füllte daraufhin die Stadthalle Rheine vollends aus. Solche Gänsehautmomente braucht es, nicht nur bei unserer eigenen Freisprechungsfeier, sondern überall in der Gesellschaft.

Ich glaube, das Handwerk darf und muss sich noch viel mehr auf seine Stärken besinnen. Gerade die vielen familiengeführten Handwerksunternehmen verstehen es, ihre Werte von Generation zu Generation weiterzutragen. Sie ruhen sich nicht auf Erreichtem aus, sondern denken stets voran, um weiterhin erfolgreich am Markt zu bestehen und unser aller Zukunft mitzugestalten. Doch leider tragen sie ihren sprichwörtlichen Pelz viel zu oft nach innen. Bodenständig und bescheiden machen die Menschen im Handwerk ihre Arbeit. Warum auch viel Aufhebens machen?

Weil es so viele Menschen im Handwerk gibt, die nicht nur in der Handwerksrolle eingetragen sind, sondern ihre persönliche Rolle im Handwerk mit einer außergewöhnlichen Leidenschaft ausfüllen und damit das Handwerk zu dem machen, was es ist. Ein leidenschaftlicher, menschlicher und nachhaltiger Wirtschaftszweig. Und auch das ist keine Selbstverständlichkeit!

Für Aufsehen sorgen – so verstehe ich die Aufgabe der Kreishandwerkerschaft Steinfurt Warendorf insgesamt, aber auch meine eigene als Hauptgeschäftsführer. Wir wollen anders als andere sein und zeigen, wie anders (und schön) das Handwerk ist. Deshalb stehen wir für unsere Mitgliedsbetriebe und damit für das Handwerk und die mittelständische Wirtschaft ein. Stets mit dem Blick auf das Wesentliche, pragmatisch statt bürokratisch und vor allem auf Augenhöhe und mit jeder Menge Wertschätzung und Leidenschaft. Leider wird es dem Handwerk von allen Seiten immer wieder unnötig schwer gemacht: Bürokratie, Betriebspflichten und Co.

Meiner Meinung nach sollten wir nicht länger nur vom Rückgrat der deutschen Wirtschaft reden, sondern den 99 Prozent der deutschen Unternehmen, die dieses Rückgrat bilden, auch selbiges beweisen. Von den Menschen außerhalb des Handwerks wünsche ich mir mehr Anerkennung für die so vielen unterschiedlichen Rollen im Handwerk. Manches Handwerksunternehmen hätte doch längst einen Oscar für sein Lebenswerk verdient. Doch was ist ein Filmstar ohne Publikum, das sich den Film ansieht?

Ihr Frank Tischner