Falsch etikettiert

Es ist mal wieder bezeichnend. Und auch wenn ich mich mit diesem Blogbeitrag ein wenig wiederhole: Wir müssen in Deutschland dringend und endlich mehr für die Gleichwertigkeit von Ausbildung und Studium tun. Und eines kann ich Ihnen an dieser Stelle versprechen, solange sich bei uns nichts ändert, werde ich es gebetsmühlenartig so oft wiederholen, so lange wie es in Gesellschaft und Politik nötig ist. An dieser Stelle viele Grüße an Friedrich Merz und alle „Klempner“.

Was bringt mich mal wieder auf die Barrikaden? Genau: Das Deutschlandticket, für das Schülerinnen und Schüler aktuell 29 Euro, Auszubildende 49 Euro und Studierende ab dem kommenden Sommersemester nur 29,40 Euro zahlen sollen – wieder einmal ein Paradebeispiel für die Ungleichbehandlung von Auszubildenden und Studierenden, die für einige mal wieder nicht gleichwertig sind.

„Bund und Länder haben sich für ein günstigeres Deutschlandticket für Studenten geeinigt“, lese ich aktuell in den Medien. Und Bundesverkehrsminister Volker Wissing freut sich darüber, eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV zu binden. Aber warum wurde dabei nur an die ca. drei Millionen Studierenden, aber nicht an die rund 1,3 Millionen Auszubildenden in Deutschland gedacht?

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich finde es gut und richtig, dass wir junge Menschen bei ihrer kostengünstigen Mobilität zu Schule oder Studium unterstützen. Doch was ist der Unterschied zur Berufsausbildung? Auch hier müssen junge Menschen mehrere Jahre lang zur Berufsschule und in ihren Ausbildungsbetrieb fahren. Warum nicht diese Zielgruppe frühzeitig an den ÖPNV binden? Natürlich ist das einfacher bei Studierenden, denn schließlich befindet sich deren Lernort in einer größeren Stadt mit einem mehr oder weniger gut ausgebauten ÖPNV-Netz. Vielleicht gehen die Überlegungen der Politik dahin, dass Auszubildende im ländlichen Raum sowieso kein günstiges Ticket für Bus und Bahn brauchen, denn dort gibt es ja gar kein erwähnenswertes Streckennetz. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Sprache kann das gesellschaftliche Bewusstsein ändern. Deshalb sollte das „Deutschlandticket für Studenten“ doch viel eher „Deutschlandticket für Ausbildung und Studium“ heißen und beide Zielgruppen gleichermaßen und vor allem gleichgestellt berücksichtigen.

Vor einiger Zeit wurde auf der Kinderseite einer Lokalzeitung der Beruf des Informatikers vorgestellt. Auch hier bezeichnend: Um Programmieren zum Beruf machen zu können, wurde den jungen Leserinnen und Lesern selbstverständlich empfohlen, an einer Universität Informatik zu studieren. Mit einem Nachsatz wurde darauf hingewiesen: „Es gibt aber auch Ausbildungen. Die dauern meist drei Jahre.“ Kein Hinweis darauf, dass die Ausbildung Fachinformatiker heißt, geschweige denn verschiedene Fachrichtungen wie Systemintegration oder Anwendungsentwicklung zur Auswahl stehen.

Solange das Studium stets zuerst genannt wird und sich die Politik zuerst Gedanken um Vergünstigungen für Studierende macht, wird auch in unserer Gesellschaft weiterhin das Studium die erste Wahl in den Köpfen bleiben.

Es wird Zeit für eine neue Etikettierung!

Ihr Frank Tischner