Innungen? – Echt „up to date“

Digitalisierung, Handwerk 4.0, Youtube, Facebook und Co. – wozu braucht es in diesen Zeiten eigentlich noch Innungen? Das werde ich oft gefragt. Und ich antworte  aus tiefster Überzeugung: Wir brauchen sie mehr denn je!

Denn als Interessenvertretungen von Handwerksbetrieben der jeweiligen Branchen geben Innungen Unternehmerinnen und Unternehmern, die zur staatstragenden Mittelschicht unseres Landes gehören, eine gemeinsame Stimme. Und je nachdem, wie intensiv sich die einzelnen Innungsmitglieder einbringen, kann diese ganz schön laut sein. Das muss sie auch, wenn sie in diesen turbulenten Zeiten, in denen unsere Sinne mit mehr Fotos und Texten überflutet werden als wir verarbeiten können, überhaupt Gehör finden soll.

Denn die Digitalisierung hat Strukturen und Systeme geschaffen, in denen ein einzelner kaum etwas auszurichten vermag. Google, Amazon, Facebook und Co machen eines ganz deutlich: Größe bedeutet Einfluss. Einfluss auf Kundenverhalten, Einfluss in sozialen Netzwerken, Einfluss auf Meinungen von Massen.

Natürlich bin ich Realist und weiß, dass es die Innungen unter dem Dach der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf nicht mit diesen milliardenschweren Internet-Giganten aufnehmen können. Größeren Einfluss nehmen als ein einzelner Betrieb alleine können sie aber sehr wohl.

Ein Beispiel gefällig? Bitte sehr: Als die rot-grüne Landesregierung in der vergangenen Legislaturperiode noch schnell das sogenannte Kontrollergebnistransparenzgesetz (KTG) – besser bekannt als „Hygiene-Ampel“ – durchdrücken wollte, sind die Betriebe des Lebensmittelhandwerks Sturm gelaufen gegen das für sie existenzbedrohende und bürokratische Gesetzesvorhaben. Als Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf haben wir uns mit unseren Bäcker- und Konditor- sowie Fleischer-Innungen an die Spitze einer Bewegung in NRW gestellt, um das KTG mit unserer Stimme zu verhindern.

Wir haben mit Politkern aller Parteien auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene gesprochen, Briefe geschrieben, Landtagssitzungen besucht, in TV, Radio, Print- und Online-Medien Informationen verbreitet, in sozialen Netzwerken laut und deutlich unsere Meinung gesagt – und 250.000 Brötchentüten an die Endverbraucher verteilt. Diese gemeinsame Stimme aus den Kreisen Steinfurt und Warendorf ist sehr wohl vernommen worden. Nach dem Regierungswechsel wurde das Vorhaben umgehend rückgängig gemacht.

Glauben Sie ernsthaft, dass das ein Unternehmen oder ein KH-Hauptgeschäftsführer allein geschafft hätte? Ich nicht! Welcher Handwerksunternehmer hat schon Zeit, den Politikern auf Wahlkampftour hinterher zu reisen, Kontakt zu vielfältigen Medien zu halten, Meinungsmache im Internet zu betreiben. Nur gemeinsam können wir auf all diesen Klaviaturen spielen. Es ist wie ein Orchester, nur zusammen wird ein gutes  Stück daraus. Denn nur ein starker Verbund verfügt über die nötigen Mittel und Manpower, um das zu bewerkstelligen. Mal ganz davon abgesehen, dass sich Vertreter der Politik kaum die Zeit nehmen, um jeden einzelnen anzuhören. Eine starke Interessenvertretung hingegen schon.

Und wieder bin ich beim Thema Digitalisierung. In diesem Fall ist sie Fluch und Segen zugleich. Ein Fluch, weil der einzelne kaum die Möglichkeiten hat, so vielfältige Kanäle und Netzwerke zu bespielen, wie es das moderne Medienzeitalter erfordert. Ein Segen aber, dass auch eine mittelgroße Kreishandwerkerschaft wie wir es sind, mit ihren Mitteln sehr wohl auch im Netz ein Wörtchen mitreden kann.

Auch sonst haben die Handwerksinnungen – digital und analog – ein gehöriges Wort mitzusprechen. Sei es, wenn es um die Organisation von Ausbildung geht, die Gestaltung der Gesellenprüfung oder gemeinsame gewerbliche Interessen. Ganz nebenbei genießen unsere Innungsmitglieder einen umfangreichen Service, der von der Rechtsberatung und juristischen Vertretung über Dienstleistungen der Buch- und Steuerberatung, Unterstützung von Ausbildungsbetrieben und Inkasso-Service bis hin zu umfänglichen Schulungen und Fortbildungsveranstaltungen sowie finanziellen Vorteilen für umfassende Dienstleistungen reicht.

Machen wir uns nichts vor. Die Welt um uns herum wird komplizierter, die Anforderungen an den einzelnen steigen. Wer sich da nicht rechtzeitig um Unterstützung und Entlastung kümmert, findet irgendwann keine Zeit mehr für sein eigentliches Geschäft. Die Mitgliedschaft in einer Innung ist eine große Hilfe. Und genau deshalb ist sie echt „up to date“!

Ihr
Frank Tischner

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