Schule schwänzen hilft dem Klima nicht, aber…

Um es gleich vorweg zu sagen: Ich kann die Kinder und Jugendlichen, die in diesen Monaten jeden Freitag auf die Straße gehen, um lautstark für einen Wandel in der Klimapolitik zu demonstrieren, gut verstehen. Sie sprechen mir aus der Seele: Es gibt keinen „Plan(et) B“ und die Erde ächzt und stöhnt unter all den Belastungen, die wir Menschen ihr zumuten. Und bislang haben alle Konferenzen und hehren Klimaschutzziele keine echte Trendwende in Sachen Zerstörung unserer Umwelt erreicht. Und ja: Überzeugt hat die nationale wie internationale Klimapolitik wirklich nicht.

Jetzt zum ABER: Ich kann aber auch all jene verstehen, die den Nachwuchs der Republik – mal mehr, mal weniger angemessen – darauf hinweisen, dass Schule schwänzen und Klimapolitik zwei Paar Schuhe sind. In einer Demokratie darf sich JEDER zu JEDEM THEMA äußern, und dieses Grundrecht gilt es mehr als zu bewahren! Aber Peter Altmaier hat schon Recht, wenn er sagt, würden die Schüler außerhalb der Schulzeit demonstrieren, sprächen wir mehr über ihr Thema und weniger über Schule schwänzen.

Aber darum geht es mir an dieser Stelle auch nicht. Mich beschäftigt vielmehr etwas anderes. Könnte es nicht sein, dass die Schüler in der Sache natürlich im Recht sind, sich in der Wahl der Mittel aber verschätzt haben? Das wichtigste Argument für die Schulschwänzer: „Sonst hört man uns ja nicht!“ Aber stimmt das überhaupt? An dieser Stelle seien mir ein paar Gedanken dazu erlaubt.

1.
Ich würde mal behaupten, dass sich 5.000 lautstarke junge Menschen, die sich an einem Nachmittag, einem Samstag oder Sonntag irgendwo im öffentlichen Raum versammeln auf jeden Fall Gehör verschaffen. Und dass es auch Politiker gibt, die nachmittags, samstags und an Sonn- und Feiertagen gerne mit den jungen Menschen ins Gespräch kommen und ihnen zuhören.

2.
In Interviews oder Dokumentationsfilmen kommen zuweilen Teilnehmer der „Fridays for Future“ zu Wort, die sich zu pauschalen Äußerungen wie „Politiker machen eh nichts“, „Die hören uns nicht zu“ hinreißen lassen. Aber ich habe im Fernsehen auch viele junge Menschen gesehen, die Politiker an einem dieser Freitage einfach niedergebrüllt haben und keine Lust auf eine inhaltliche Auseinandersetzung hatten. Wer behauptet, Politiker seien nicht bei den Menschen und hörten ihnen nicht zu, dem sei geraten, mal eine Woche mit einem Parlamentarier zu verbringen. Die Schlagzahl an Terminen und Treffen mit den unterschiedlichsten Menschen, Vereinen oder Organisationen, die ein Landes- oder Bundespolitiker jede Woche absolviert, ist schon ein echtes Stück Arbeit.

3.
Unsere Demokratie bietet vielfältige Möglichkeiten der Auseinandersetzung. Eine wichtige davon ist sicher das Demonstrationsrecht. Das möchte ich nie und nimmer jemandem absprechen. Aber demonstrieren bedeutet nicht automatisch, dass ich das während meiner Arbeits- oder eben Schulzeit mache. Ganz nebenbei bemerkt: Ich bin mal gespannt, wie viele Schüler noch in den Oster- oder Sommerferien auf die Straße gehen. Der in ein paar Wochen anstehende Karfreitag wird es zeigen (und dann ist es auch noch ein „stiller“ Feiertag).

4.
Über die Demonstrationen hinaus gibt es viele Möglichkeiten, sich demokratisch auseinanderzusetzen: Briefe, Gespräche und Austausch mit Politikern gehört dazu. Sich zu organisieren, Initiativen zu gründen und Resolutionen zu initiieren sind weitere Mittel. Sicher: Die demokratischen Wege und Möglichkeiten auszuschöpfen, ist zuweilen mühselig und zeitraubend. Und ja: Demokratie ist zuweilen ein sehr schwerfälliges Wesen. Aber es ist für mich die einzige Staatsform, in der ein freies und selbstbestimmtes Leben überhaupt möglich ist.

5.
Eine Verweigerungshaltung ist auf Dauer wenig konstruktiv. Wer etwas bewegen möchte, sollte nicht nur eine Sache nicht tun, sondern darüber hinaus, einen positiven Gegenentwurf starten und etwas Konstruktives im Sinne der eigenen Ziele starten. Wie wäre es zum Beispiel, wenn die Teilnehmer der „Fridays for Future“ ihre exzellenten digitalen Netzwerke nutzen, um gemeinsam mit guten Beispielen voranzugehen?

6.
Die „Fridays for Future“ zeigen, wie groß der Einfluss einer gut vernetzten jungen Gesellschaft tatsächlich ist. Dennoch beschleicht mich zuweilen der Eindruck, dass das Ganze auch einen gewissen Event-Charakter aufweist. Vergangene Woche habe ich aufgrund verschiedener Terminlagen in zwei Städten zwei der Demos beobachten können. Dass die sozialen Netzwerke diese Bewegung aktuell beflügeln und befeuern, ist unstrittig. Was aber ist, wenn demokratiefeindliche Kräfte – wie es immer häufiger vorkommt – ihren Einfluss via Netzwerke immer weiter verstärken und am Ende zu fragwürdigen Aktionen im Sinne von „Nieder mit dem herrschenden System“ aufrufen? Folgen dann auch Abertausende diesem Event, weil es cool ist und die Freunde auch alle mitmachen?

Für ist für mich klar: Die Lawine rollt und ich halte es für wenig wahrscheinlich, dass die Kids jetzt sagen: Ab nächster Woche nur noch freitagsnachmittags auf die Straße! Dennoch kann man von Lehrern und Eltern schon verlangen, dass sie das Schule schwänzen nicht weiter unterstützen. Ganz klar: Ich möchte nochmals unterstreichen, dass ich das Interesse der Jugendlichen toll finde, denn sie tun das Richtige. Es ist ein berechtigtes Anliegen (nicht nur der Jugend), dass sie sich Gehör für ihre Überzeugungen verschaffen und sich für den Erhalt der Lebensgrundlagen engagieren. Aber ich würde es begrüßen, wenn die Teilnehmer der Demonstrationen auch bereit sind, einen Schritt weiter zu gehen und für sich selbst ganz persönlich Entscheidungen zu treffen. Zum Beispiel: keinen Einkauf im Billigklamotten-Laden mehr, nur noch alle fünf Jahre ein neues Handy, kein Essen mehr bei Fastfood-Giganten mit Müllmengen jenseits von Gut und Böse und auch die kritische Auseinandersetzung mit (Social Media-)Konzernen, die nur die Profitgier im Auge haben. Oder: Auf jeden Fall wählen gehen, mitmachen in politischen Gremien, Zeit opfern für gesellschaftspolitisches Engagement im Sinne von Klimaschutz und Umwelt.

Das gehört nämlich auch zum Einsatz für eine gute und wichtige Sache: Dass man bereit ist, etwas von sich und seiner Zeit zu geben! Ich habe mal einen schönen Kalenderspruch gelesen: „Wenn man es zu etwas bringen will, so muss man seinen ganzen Menschen dafür hingeben.“ Im Falle der Schüler muss es ja nicht gleich der ganze Mensch sein. Aber die Bereitschaft für etwas Engagement in Freizeit und Privatleben wäre ein guter Anfang!

Ihr

Frank Tischner

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