Generation X,Y,Z – Alles gar nicht so dramatisch!

Es gibt einen schönen Spruch, den ich einmal abgelauscht habe: „Wer mit 20 nicht links ist – der hat kein Herz. Wer mit 40 immer noch links ist – der hat keinen Verstand.“ Und jetzt regen Sie sich nicht gleich auf! Mir geht es hier nicht darum, die konservative Mitte gegen das linke Lager auszuspielen. Mir geht es hier um etwas ganz anderes. Nämlich die Frage, was wir von unserer so oft zitierten Generation Y oder auch den Millennials (zu Deutsch: Jahrtausender) zu halten haben.

Seit langem versetzt sie Firmenchefs und Personalverantwortliche in helle Aufregung: die sogenannte Generation Y. Unter diesem Begriff versteht die Fachwelt gemeinhin Menschen der Geburtsjahrgänge von den frühen 1980er- bis zu den späten 1990er-Jahren – also jene Klientel, die aktuell auf dem Arbeitsmarkt Fuß fasst oder bereits an den Stellschrauben dreht. Und die sollen, so die allgemeine Bewertung bisher, ein ganz schön schwieriges Völkchen von Mitarbeitern sein.

Voll konzentriert auf eine optimale Work-Life-Balance, wenig Lust auf Geld und große Karrieresprünge, dafür aber Bock auf coole Jobs und eine lupenreines Profil auf Instagram und Co. Gleichzeitig aber auch super-sensibel, stets auf der Suche nach emotionaler Bindung und äußerst pflegeintensiv in der Mitarbeiteransprache. Und immer will die Generation Y alles hinterfragen. Es ist ja vielleicht kein Zufall, dass die Generationsbezeichnung Y im Englischen wie das Fragewort „Why“ (Warum) klingt. Alles in allem sind diese jüngeren Mitarbeiter also ein Horror für Vorgesetzte und Entscheider, die neben dem guten Betriebsklima auch immer ein Auge auf das Firmenkonto haben – und zuweilen auch zu unpopulären Maßnahmen greifen müssen.

So, und jetzt kommt der Kracher. Und zwar in Form einer Studie, die der Marburger Soziologe Professor Dr. Martin Schröder nun vorgelegt hat. Darin behauptet der Professor der Universität Marburg allen Ernstes: Generation Y – die gibt’s gar nicht wirklich. Unglaubliche These!

In einem Aufsatz in der „Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie“ wirft er einen anderen Blick auf die Generationenfrage. Dafür hat er mehr als 500.000 Einzeldaten von mehr als 70.000 Umfrageteilnehmern ausgewertet. Sein Ansatz: Wer einzelne Generationen miteinander vergleicht, schaut sich in gewisser Weise Äpfel und Birnen an. Will heißen: Schröder meint, man könne nicht einfach die heute 30-Jährigen mit den heute 40-, 50- oder 60-Jährigen vergleichen. Um soziologisch belastbare Aussagen zu treffen, müsse man vielmehr die Einstellungen der heute 30-Jährigen mit denen der 30-Jährigen von vor zehn oder 20 oder 30 Jahren vergleichen. Geht zeitgleich natürlich nicht. Aber wer sich anschaut, wie 30-Jährige früherer Zeiten gedacht haben, wird feststellen, dass das so viel anders als heute auch nicht war.

Deshalb kommt Schröder zu dem Schluss: Die Einstellungen von Menschen ändern sich weniger von Generation zu Generation, sondern vielmehr mit zunehmendem Alter.

So, und jetzt sind wir wieder bei dem O-Ton, den ich seinerzeit aufgeschnappt habe, und der Sache mit Herz und Verstand. Geahnt haben die Menschen das nämlich schon lange. Welche Dinge wichtig sind im Leben und was wir wovon halten, sind keine Konstanten unserer Generation sondern eine Frage des Alters. Jetzt mal Hand aufs Herz: Was war Ihnen mit 19, 20 wichtig im Leben? Und was zählt für Sie heute? Arbeiten Sie eigentlich immer noch so wie am Anfang ihres Berufslebens? Ich wage zu behaupten, dass sich da auch in Ihrer Vita gewisse Abbrüche und Veränderungen auftun.

Jetzt bin ich kein Soziologe, sondern Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf und damit Fürsprecher für viele Arbeitgeber in der Region. Und genau in dieser Funktion bin ich der Meinung, dass wir viel von Professor Dr. Martin Schröder und seiner Studie lernen können. Nämlich:

  1. Unterschiedliche Ansichten zwischen Menschen unterschiedlichen Alters sind völlig normal.
  2. Wir brauchen die Generation Y (oder die nachfolgende Generation Z) auch als Arbeitgeber und Personalverantwortlicher nicht zu fürchten.
  3. Wir haben die Chance, trotz aller Unterschiede in Denk- und Herangehensweisen gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten.

Jetzt mögen Sie protestieren: „Aber die heute 20- bis 30-Jährigen sind doch ganz anders in der Arbeitswelt!“ Mag sein, aber sie sind junge Menschen, die mit ihren ganz eigenen Wünschen und Vorstellungen im Leben stehen, Jobs wählen, Familien gründen – oder auch nicht. Was die jungen Arbeitnehmer heute sicher stärker von anderen unterscheidet: Sie haben eine ganz eigene Art zu kommunizieren. Sie sind lupenreine Digital Natives, als so etwas wie die Ureinwohner der digitalen Welt, die von frühester Kindheit und Jugend mit dem Internet und seinen unbegrenzten Möglichkeiten vertraut sind.

Ich habe zuweilen den Eindruck, dass hier der Hund begraben liegt, wenn Vorgesetzte bemängeln, an die nachfolgende Mitarbeiter-Generation nicht so richtig heranzukommen. Die Art, zu kommunizieren und Inhalte auszutauschen, hat sich sehr verändert. Das führt zuweilen zu Missverständnissen, Sprachbarrieren – und im schlimmsten Fall zur Sprachlosigkeit zwischen jüngeren und älteren Mitarbeitern.

Und genau das macht das Miteinander in den Betrieben heute sicher auch ein bisschen anstrengender. Wer in der Welt von Social Media zu Hause ist, ist individuelle Ansprache nach eigener Interessenlage nun mal von der Pike auf gewohnt. Und sicher: Er möchte auch im Arbeitsumfeld individuell wahrgenommen und angesprochen werden. Und kann im Umkehrschluss im persönlichen Kontakt vielleicht manchmal nicht ganz mithalten mit jenen, deren stärkster Kommunikationskanal von Kindheit an das persönliche Gespräch ist.

Wie das Dilemma lösen? Mein Tipp: Nehmen Sie sich Zeit für Ihre Leute, hören Sie hin, welche Wünsche und Vorstellungen tatsächlich vorliegen – und geben Sie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Chance, diese zu verwirklichen. Und zwar ganz unabhängig vom Alter Ihrer Leute. Denn auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind in Zeiten wie diesen garantiert auch Ihre älteren und erfahrenen Facharbeiter. Und auch die bleiben viel lieber bei Ihnen, wenn Sie sich wahrgenommen und wertgeschätzt fühlen.

Ihr

Frank Tischner

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