Souveränität der Arbeitszeit!

„Rückkehrrecht auf eine Vollzeitstelle für alle – auch in Unternehmen mit weniger als 45 Beschäftigten.“ Mit dieser wohlfeilen Forderung, das 2019 in Kraft tretende novellierte Teilzeit- und Befristungsgesetz für Unternehmen jedweder Größe gelten zu lassen, ging erst kürzlich die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Münsterland (NGG) an die Öffentlichkeit. Da in den Nahrungsmittel-Handwerken besonders viele Frauen teilzeitbeschäftigt sind, würden diese – so die Begründung – wegen der geringen Betriebsgröße, die zumeist unter dem Schwellenwert liegt, von dem neuen Recht auf Rückkehr auf eine Vollzeitstelle ausgeschlossen werden.

Skandal oder Denkfehler? Ich würde sagen: Zu kurz gedacht.

Die Novelle sieht ein Rückkehrrecht für diejenigen vor, die bei Anstellung einen Vollzeit-Job erledigt haben und dann ihre Arbeitszeit verkürzt haben, um Kinder aufzuziehen, erkrankte Eltern zu pflegen oder einfach nur um mehr private Zeit zu haben. Fakt ist aber, dass in den meisten Bäckereien, Konditoreien oder Fleischereien Frauen im Verkauf tätig sind, die schon als Teilzeitkräfte eingestellt wurden und deshalb gar keinen Rechtsanspruch auf eine Vollzeitstelle haben – egal wie viele Mitarbeiter das Handwerksunternehmen beschäftigt.

Mir hat kürzlich erst die Ehefrau eines selbständigen Bäckermeisters, die in der Familienbäckerei im Verkauf mitarbeitet, bestätigt, dass in den vielen Jahren ihrer Selbständigkeit keine Verkäuferin nach einer Vollzeitstelle nachgefragt hat. Das Modell der Teilzeit ist für die Verkäuferinnen, aber auch für die Bäckerei optimal, weil dies für beide Seiten mehr Flexibilität bedeutet. Und wenn dann doch einmal eine Mitarbeiterin von Teilzeit auf Vollzeit aufstocken möchte, weil sie beispielsweise wegen familiärer Gründe einfach mehr Einkommen benötigt, dann sucht man unter Abwägung der betrieblichen Bedingungen und der Belange der anderen Mitarbeiter nach einer Lösung, so wie es in den oftmals familiengeführten Handwerksbetrieben üblich ist.

Was nützt denn hier ein Rechtsanspruch auf Vollzeit, den man letztendlich auf den Rücken der Kolleginnen und Kollegen durchsetzt? Denn eines ist doch klar, kein Unternehmen wird eine Stundenaufstockung hinnehmen, ohne dass an anderer Stelle gestrichen wird. Um beim Beispiel der Bäckerei zu bleiben, könnte es sein, dass irgendwann sich nicht mehr sechs Verkäuferinnen in der Woche den Job hinter der Ladentheke teilen, sondern eben nur noch zwei. Schwierig wird es dann bei Krankheit oder Urlaub. Sicher kann man dies mit Vertretungen lösen, aber bezahlen wird es dann der Kunde.

Und was nützt eine gesetzliche Regelung, die einseitig Arbeitnehmern das Recht auf Gestaltung ihrer Arbeitszeit gibt, aber insbesondere den kleinen Unternehmen die Entscheidungsfreiheit und das Recht, die Arbeitszeit in unternehmerischer Verantwortung selbst zu organisieren, nimmt? Für den Arbeitgeber ist damit keine flexible Arbeitsgestaltung mehr möglich. Für ihn bedeutet dies nur eine erheblich kompliziertere Personalplanung. Für viele selbständige Handwerksmeisterinnen und -meister, die nach dem Willen der NGG auch unter das Gesetz fallen sollen, bedeutet dies noch mehr Reglementierung, noch mehr Bürokratie, noch mehr Arbeitsstunden am Schreibtisch, aber deshalb kein Weniger in der Backstube, Werkstatt oder Baustelle. Der Handwerksunternehmer hat dadurch gewiss kein „Mehr an Souveränität der Arbeitszeit“, so wie die Gewerkschaft es für die Mitarbeiter einfordert.

Damit man mich nicht falsch versteht: Ich halte es im Hinblick auf den Fachkräftebedarf der Wirtschaft und der sozialen Sicherung im Alter für sehr wünschenswert, dass berufstätige Mütter die Möglichkeit haben, eine Vollzeit-Stelle auszufüllen. Dass sie es immer noch nicht in dem gewünschten Maße können oder wollen, ist aber doch nicht Schuld der Handwerksunternehmen, sondern ist den unzureichenden Möglichkeiten, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, geschuldet. Der eigene Partner und die Familie, die Gesellschaft und die Politik sind erst einmal aufgerufen, ein Bewusstsein und Unterstützungsmöglichkeiten zu schaffen, damit der Anteil der Frauen in Teilzeit sinkt.

Die Forderung, liebe NGG, kleineren Unternehmen in das Teilzeit- und Befristungsgesetz mit einzubeziehen, ihnen damit ein gesellschaftliches Problem aufzubürden und ihnen das Recht auf Eigenbestimmung – auch der eigenen – Arbeitsorganisation zu nehmen, ist ein Denkfehler und für mich auch ein Skandal und spricht nicht für eine Sozialpartnerschaft.

Ihr

Frank Tischner

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