Work-Life-Balance

Ist nicht auch die tollste Arbeit eine, die mich vom Leben abhält?

Ich habe in meinem Job viel mit Jugendlichen zu tun. Letzte Woche war ich mit Auszubildenden aus heimischen Handwerksbetrieben sowie Schülerinnen und Schüler unserer Youth Craft Factory in der WDR-Sendung „Ihre Meinung“ mit Bettina Böttinger eingeladen. Neben dem Titel der Sendung „Frech, digital, politisch – macht die Jugend alles besser“ wurde nicht nur über die aktuelle Klimapolitik diskutiert, sondern in den Gesprächen am Rande auch über gesellschaftspolitische Themen. In vielen Studien wird als Grund für das Berufswahlverhalten von Jugendlichen nicht an erster Stelle das Gehalt, sondern Faktoren wie „Ansehen des Berufsbildes  im Freundeskreis“ oder auch die „Work-Life-Balance“ gesetzt

Während ich diesen Blog schreibe, liegen andere Menschen vielleicht im Freibad, gehen in der Stadt einkaufen oder demonstrieren für eine andere Klimapolitik. Dann fragt man sich ernsthaft: „Warum ist man 9 Stunden an einem Ort, an dem man vielleicht gar nicht sein möchte? Es ist also die Frage nach dem Warum. Warum muss ich arbeiten? Warum darf ich nicht einfach Spaß haben und LEBEN? Es gibt ja die Legende, dass es einen Job gibt, der so viel Spaß macht, dass er sich nicht wie Arbeit anfühlt. Gibt es ihn überhaupt?

Eine interessante Frage, wenn ich wieder einen Vortrag vor Jugendlichen über meinen Lebenslauf vom Bäcker-Azubi zum Hauptgeschäftsführer einer Kreishandwerkerschaft  oder über die beruflichen Perspektiven im Handwerk halte. Statt vor den Jugendlichen zu referieren und Zeit in die Vorbereitung zu stecken, , würde ich vielleicht auch lieber unter einem Baum sitzen und etwas lesen, was ich nicht unbedingt lesen muss. Ich war auch schon lange nicht mehr in Paris. Wie schön wäre es, heute dies und morgen jenes zu tun.

Um es kurz zu machen: Nein, es gibt keinen Job, der so viel Spaß macht, dass er sich nicht wie Arbeit anfühlt. Arbeit kann Spaß machen, aber mit Sicherheit nicht immer. Wenn ich Jugendliche frage, was sie später einmal machen möchten, dann höre ich oft: „Irgendetwas Kreatives“.  Wenn man ausschließlich „kreativ“ sein will, dann spring mit nackten Füßen in einen Eimer Farbe und lauf damit über den Gehweg. Damit kann man zwar nicht seine Miete bezahlen, sieht aber bestimmt lustig aus. Bei mir verfestigt sich immer mehr der Eindruck, dass in den acht Stunden am Tag, für die man das Geld bekommt, viel eher der Sinn als der Spaß fehlt. Man möchte doch mit Dingen beschäftigt sein, die irgendwie wichtig sind, wo man sieht, dass man etwas „geschaffen“ hat und die den Unterschied ausmachen.

Wenn ich nicht jedem Jugendlichen und nicht immer uneingeschränkt zu meinem aktuellen Job rate, liegt es nur daran, dass ich oft am Abend oder an den Wochenenden arbeite, dass passt dann halt schlecht zusammen. Aber wir haben im Handwerk 130 tolle und auch sehr kreative Berufe. Ich bin mir ziemlich sicher, dass jeder Jugendliche hier etwas Besseres finden kann als ein Leben in einer Warteschleife. Im Handwerk liegen Perspektiven und auch die Mischung aus Beruf und „Leben“. Und wissen Sie was? Auch jetzt hat es am Ende mir wieder Spaß gemacht, diesen Bericht zu schreiben in der Gewissheit, dass Menschen diesen Blogbeitrag lesen werden. Großen Spaß sogar!

Ihr

Frank Tischner

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