Meisterhafte Lebenswege – und wie sie beginnen können

Meiner Tätigkeit als Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf verdanke ich viele interessante und angenehme Begegnungen. Ganz besonders aber berühren mich persönlich die Begegnungen mit unseren Jubilaren. Immer wieder habe ich die Ehre, Goldene, manchmal sogar Diamantene Meisterbriefe zu überreichen. Mit ihnen bedankt sich das Handwerk bei Menschen, deren Meisterprüfung 50 oder 60 Jahre zurückliegt und die sich Zeit ihres Lebens um die Branche verdient gemacht haben.

Bei solchen Terminen fühle ich mich manchmal ganz klein. Wenn mir zum Beispiel ein älterer Mann erzählt, wie er aus einem Ein-Mann-Betrieb von der Pike auf ein respektables mittelständisches Bauunternehmen aufgebaut hat. Oder wenn ich erlebe, wie Menschen Zeit ihres Lebens ihre persönlichen Bedürfnisse hintenan gestellt haben, um ihren Kunden, ihren Mitarbeitern und nicht zuletzt ihrer Familie zu dienen mit all ihrer Arbeitskraft und all ihrem Engagement. Ganz nebenbei sind es oft die gleichen Menschen, die sich auch in ihrem Umfeld über viele Jahre ehrenamtlich engagiert und stets das Wohl ihrer Region im Blick gehabt haben. Und damit meine ich ausdrücklich nicht nur die Männer, die in der Regel den Meisterbrief in Empfang nehmen, sondern auch deren Ehefrauen und Partnerinnen, die nach der gleichen Maxime gelebt und gewirkt haben. Hier wurde und wird Verantwortung übernommen.

Das Wort Ehrfurcht mag für heutige Ohren nach Old School – wie es so neudeutsch  heißt – klingen. Aber mir ringen die Lebenswege alter Handwerksmeister in höchstem Maße Respekt und Ehrfurcht ab. Denn ich finde, was diese Menschen geleistet haben, verdient allerhöchsten Respekt. Sie können Personen meiner Generation und Jüngeren wahrlich als Vorbilder dienen.

Dabei bringt der Begriff Old School gut auf den Punkt, was solche Lebenswege ausmacht. Denn Alte Schule ist es nicht nur, anderen die Tür aufzuhalten oder seiner Partnerin in den Mantel zu helfen. Alte Schule bedeutet auch, sich selbst ein Stück zurückzunehmen, eine gewisse Bescheidenheit zu pflegen und dem Leben und anderen Menschen mit einer gewissen Demut zu begegnen.

Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Nicht alle Handwerksmeister im Seniorenalter sind kleine Heilige. Aber sie legen oft Eigenschaften an den Tag, die ich in unserer modernen Gesellschaft allzu oft vermisse. Mich befremdet das allgegenwärtige Anspruchsdenken, das sich hierzulande unter Menschen unterschiedlichen Alters ausbreitet.

Fakt ist: In Zeiten wie diesen wird jede qualifizierte Arbeitskraft in den Unternehmen gebraucht. Das gilt für Handwerk wie für Industrie. Die Ansprüche aber, die zum Beispiel manch Auszubildende – und leider oftmals auch deren Eltern – gegenüber Arbeitgebern und Vorgesetzten äußern, finde ich – mit Verlaub – hanebüchen. „Die Halle ausfegen? Das hat mit meiner Ausbildung zum Metallbauer doch nichts zu tun! Da such ich mir lieber eine andere Lehrstelle!“ – Äußerungen wie diese bekommen die Unternehmer unserer Kreishandwerkerschaft gerne mal zu hören.

Sicher: Wer wissen möchte, wie man mit einer CNC-Maschine fachgerecht Metall bearbeitet, sollte nicht dauerhaft den Besen schwingen. Aber beim Hobeln fallen Späne – und ich meine, dass es in den Lehrjahren dazu gehört, diese ab und an zu beseitigen! Wer im Berufsleben dauerhaft Erfolg haben möchte, braucht die Erfahrung, dass der Lehrling nicht auf dem Chefsessel startet. Auch ich kann hiervon aus eigener Erfahrung ein Liedchen singen.

In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder die Forderung nach höheren Vergütungen in der handwerklichen Ausbildung laut. Ich habe an dieser Stelle schon einmal bekannt, dass ich das für den falschen Weg halte. Geld allein macht eine Arbeit nicht interessant. Das gilt für Auszubildende wie für hochdotierte Manager. Vielmehr sind es die Chancen zur individuellen Entwicklung und zur Umsetzung eigener Ideen und Vorstellungen, die eine Arbeit dauerhaft sinnhaft und erfüllend machen.

Vor diesem Hintergrund ist es klasse, wenn junge Leute mit gesundem Ehrgeiz an die Sache gehen und so schnell wie möglich vorankommen möchten. Meisterhafte Lebens- und Berufswege gelingen allerdings nur, wenn man bereit ist, auch etwas dafür zu geben. Zeit, Engagement und eine gesunde Portion Demut zum Beispiel. Ab und an mal die Halle auszufegen, kann da ein guter Anfang sein.

Ihr

Frank Tischner

Rückmeldungen gerne unter feedback@handaufsherz.blog