Deutsche Mitnahmementalität

Lufthansa-Chef Carsten Spohr bedankt sich bei der Bundesregierung und den Steuerzahlern für die Unterstützung in der schwersten Krise des Unternehmens. Anlass für seine Worte ist die Beendigung der Beteiligung im Rahmen des staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), mit dem die Lufthansa in Coronazeiten von uns allen gerettet wurde. Gern geschehen, oder doch nicht?

Wir erinnern uns: Erst kürzlich haben die Piloten der Lufthansa gestreikt. Grund: Forderung eines Inflationsausgleichs. Ja genau, Pilotinnen und Piloten, deren Arbeitsplätze dank unserer Steuergelder überhaupt noch existieren, bedanken sich dafür mit der Forderung höherer Löhne und einem Streik. Ich persönlich kann nicht verstehen, wie Herr Pilot oder Frau Pilotin, vertreten von der Gewerkschaft Cockpit, überhaupt auf so eine Idee kommen können. Wie wir wissen, waren sie auch noch erfolgreich und die normalen Steuerzahler, die durch den Streik ihren Flug nicht antreten konnten, die Leidtragenden.

Ein anderes Beispiel: Die Mineralölkonzerne. Der Tankrabatt läuft aus, und genau zum Zeitpunkt 0:00 Uhr werden plötzlich höhere Preise eingesteuert, obwohl die Tanks noch mit den zuvor günstiger eingekauften Kraftstoffen gefüllt waren und gleichzeitig der Barrel Rohöl an der Börse gesunken ist. Wirklich ein Schelm, der Böses denkt?

Ich möchte mit diesen beiden Beispielen darauf abzielen, dass mir die Mitnahmementalität von einigen Managern, aber auch von Konzernen mächtig auf den Keks geht.

Sobald es etwas zu holen gibt, scheint es, dass sich alle ohne Gewissen und Anstand darauf stürzen. So geschehen beispielsweise bei der Gasumlage für Unternehmen aus der Energie- und Versorgerbranche. In einem Bereich riesige Gewinne machen und auf der anderen Seite als Trittbrettfahrer staatliche Hilfen mitnehmen, weil es rein rechtlich geht. So geht es aber gesellschaftlich nicht! Und auch wenn jetzt nachgebessert wurde, wünsche ich mir mehr Unabhängigkeit seitens der Politik, so dass Unterstützungen in unserer Gesellschaft gezielt ankommen und nicht nach Größe von Unternehmen entschieden werden.

Unsere in den letzten Tagen viel zitierten Bäcker stehen immer noch ohne Unterstützung in der Backstube, während parallel den großen Konzernen das Geld hinterhergeworfen wird – unabhängig von Mitnahmeeffekten.

Für die Steuerzahler habe sich die Lufthansa-Rettung übrigens gelohnt, heißt es: „Unter dem Strich sei ein Gewinn von 760 Millionen Euro übriggeblieben“ (Quelle: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/lufthansa-bund-aktien-verkauft-corona-101.html).
Dann dürfen wir uns also alle freuen? Leider zeigt die Erfahrung: Verluste werden auf die Sozialgemeinschaft verteilt, Gewinne aber einbehalten. Warten wir es ab. Ich hatte aktuell zwei Termine in und mit unseren Betrieben. Die Lage ist mehr als ernst, es muss gehandelt werden, und das sehr schnell. Wir brauchen zur Stützung des Mittelstandes sofort einen Strom- und Gaspreisdeckel – ansonsten gehen bald in einigen Betrieben unwiderruflich die Lichter aus.

Die Situation stimmt mich nachdenklich und traurig, andererseits bin ich aber auf jeden Fall auch sehr froh, dass ich ohne schlechtes Gewissen für das Handwerk sprechen und auf die dort gelebten nachhaltigen Strukturen verweisen kann. Bei uns geht es bei Wirtschaft um Kunden, Produkte, Dienstleistungen, die Region und Arbeitsplätze, die den Menschen ein gutes Leben ermöglichen und so Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen. Ja, auch unsere Unternehmen müssen Gewinne machen, sonst funktioniert der Kreislauf nicht. Jetzt kommt aber das „Aber“, denn es geht nicht um eine Profitmaximierung oder um Marktanteile wie bei so vielen großen Konzernen, die offensichtlich doch eher an sich selbst anstatt an unsere Gesellschaft denken. Die ganz Situation ist sehr belastend, solch falsche Weichenstellungen geben einem den Rest und nehmen mich ganz schön mit.

Ihr Frank Tischner