Endspurt mit Hindernissen

Die Sommerferien in NRW sind auf der Zielgeraden. Noch eine Woche, dann geht der Alltagstrubel für den NRW-Nachwuchs (und in unserer Familie) wieder los. Und das nach einem hitzigen Endlos-Sommer, wie ihn wohl kein Pennäler bisher erlebt hat. Endspurt bedeutet das nahende Ferienende auch für die vielen, vielen Handwerker, die in der unterrichtsfreien Zeit Schulen und Sportstätten wieder auf Vordermann gebracht haben. Traditionell haben Renovierungs- und Unterhaltungsmaßnahmen in den Ferien Hochkonjunktur.

Eines ist schon jetzt klar: Dieser Sommer war für die vielen Handwerksbetriebe der Region wahrlich eine heiße Phase. Und das in zweierlei Hinsicht: gut gefüllte Auftragsbücher kombiniert mit rekordverdächtigen Temperaturen. Denn während die Schüler und ihre Familien dem kühlen Nass in allen Variationen frönen konnten, haben viele Handwerker durchgearbeitet. Bei Temperaturen von 35 Grad und mehr haben sie Mauern gestemmt, Fliesen verlegt, Wände gestrichen oder – der Sonne vollends ausgeliefert – Dächer repariert. Chapeau! Das war eine reife Leistung, die mir als Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf wahrhaft Respekt abringt!

Jetzt mag der ein oder andere Auftraggeber im öffentlichen oder privaten Bereich maulig werden und monieren, dass nicht alle Aufträge pünktlich zum Schulstart und Urlaubsende abgearbeitet sind. Doch in den meisten Fällen kommen solche Engpässe nicht von ungefähr, sondern haben ihre guten Gründe. Zwei davon möchte ich an dieser Stelle nennen.

1.) Weniger Fachleute:

Der vielbeschworene Fachkräftemangel ist in den meisten Handwerksbetrieben der Region inzwischen deutlich zu spüren. Dank guter Konjunktur freuen sich die Betriebe über eine hervorragende Auftragslage – allein fehlt es an gut ausgebildeten Fachleuten, die diese denn auch zeitnah und fristgerecht abarbeiten können. Und auch die Mitarbeiter im Handwerk haben schulpflichtige Kinder und damit den Wunsch, in den Sommermonaten Urlaub zu machen. Die Branche krankt an einem veränderten Berufswahlverhalten von jungen Menschen. Der Trend geht zur schulischen Ausbildung nach der Schullaufbahn. Dadurch erfolgt der Einstieg ins Berufsleben immer später – und manchmal eben gar nicht, wenn persönliche Berufsvorstellungen und die eigenen Kompetenzen und Möglichkeiten gar zu weit auseinanderfallen.

Ich bin überzeugt: Da hilft auch der Ruf nach einem Mindestlohn für Auszubildende nichts. Eine solche Maßnahme würde die Betriebe nur vor zusätzliche wirtschaftliche Herausforderungen stellen, aber in der Praxis keinen Jugendlichen mehr davon überzeugen, eine duale Berufsausbildung zu beginnen. Ohnehin steht das Handwerk in der Region mit seinen Ausbildungsvergütungen und Tarifen für Fachkräfte nicht schlecht da. So reichen die Vergütungen im ersten Lehrjahr von 480 Euro für Raumausstatter/-in bis hin zu 785 Euro für die Azubis im Bauhauptgewerbe. Dort werden im dritten Ausbildungsjahr mit 1.410 Euro Ausbildungsvergütungen gewährt, die manch ausgelernte Kraft in anderen Branchen regulär verdient.

2.) Eine überbordende Bürokratisierung bei öffentlichen Ausschreibungen:

Öffentliche Ausschreibungen entwickeln sich für Handwerksunternehmer zunehmend zu einem schlechten Geschäft. Ein Beispiel gefällig? Gerne! Beteiligt sich zum Beispiel ein Betrieb aus dem Bereich Sanitär, Heizung, Klima und Klempnerei (SHK) an einer öffentlichen Ausschreibung für eine Schulküche, dann kann dabei schon einmal ein bürokratischer Aufwand in Form von 600 (!) Seiten Papier dabei herumkommen. Im Klartext: Ein Unternehmer muss 1,5 Kilogramm Formulare und Papiere durcharbeiten, ohne am Ende zu wissen, ob sich dieser Aufwand tatsächlich lohnt. In Zahlen bedeutet das: Ein Handwerksbetrieb leistet in diesem Fall 150 Arbeitsstunden für 10.000 Euro Umsatz – davon allein sage und schreibe 58 (!) Stunden für Bürokratieaufwand.

Wer angesichts eines solchen Bürokratismus-Wahnsinns über steigende Gesamtkosten stöhnt, hat das System nicht verstanden. Verständlich, wenn Unternehmen um derlei Aufwand einen Bogen machen und sich auf organisatorisch einfachere Geschäfte verlegen. Zumal die Zahlungsmoral so mancher Kommune in der Vergangenheit zu wünschen übrig ließ. Für Handwerksbetriebe, die zur Auftragserfüllung Kosten von Material bis Personal vorfinanzieren und mit nicht-marktgerechten Preisen anbieten mussten, war das oftmals ein Verlustgeschäft. Dass man sich nun in Zeiten des Baubooms den Kunden aussucht, der bereit ist, faire Konditionen zu akzeptieren, kann man den Handwerksunternehmen nicht ankreiden. Sie folgen nur den marktwirtschaftlichen Regeln.

Was das in der Praxis bedeutet, wurde 2017 in der Gesamtschule in Oelde deutlich. Dort konnten die Umbauten nicht rechtzeitig zum Schulbeginn abgeschlossen werden, weil die Stadt als Schulträger keinen Elektrobetrieb finden konnte, der die Arbeiten übernehmen wollte. Dem Vernehmen nach wurden 21 Betriebe angefragt – die angesichts des enormen Aufwands bei öffentlichen Ausschreibungen allesamt dankend abgelehnt haben.

Ich meine, es ist allerhöchste Zeit für Politik und Gesellschaft, sich diesen Herausforderungen zu stellen. Und vielleicht sollte jeder einzelne einmal kurz über diese Fragen nachdenken, wenn im Bekanntenkreis (mal wieder) von „den unzuverlässigen Handwerkern“ die Rede ist – oder aber, wenn Ihr Kind Sie fragt, was es eigentlich einmal werden könnte.

In diesem Sinne wünsche ich eine schöne letzte Ferienwoche!

Ihr

Frank Tischner

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