Schluss mit dem Theater!

Ich bin urlaubsreif. Ist ja auch normal, denn mein Job ist kein 08/15-Job. Meistens ist im Sommer irgendwann für jeden Menschen Zeit für eine Pause. Was ich in den vergangenen Wochen und Monaten allerdings so ermüdend fand, war nicht meine Arbeit als Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf. Was für mich – und bestimmt nicht nur für mich allein – echt enervierend war, war dieses politische Sommertheater. Und das lange bevor die eigentliche Zeit für sommerliche Polit-Possen überhaupt angebrochen ist. Und das alles nur, weil im September Bayern-Wahl ist.

Manchmal könnte ich laut losschreien. Politiker sind Vorbilder, und man sollte meinen, dass mit zunehmendem Alter auch ein gewisses Maß an Erfahrung, Gelassenheit und ein klarer und vernünftiger Blick auf die Dinge einhergeht. Am liebsten würde ich einigen Politikern, allen voran unserem Bundesinnenminister, entgegenrufen: „Schluss mit dem Theater!“  Denn eines ist ja wohl klar: Mit seinem Gebaren rund um seinen „Masterplan“ in Sachen Asylpolitik hat er dem ganzen Land und nicht nur – wie die Umfragewerte zeigen – dem Bundesland Bayern geschadet. Und ganz bestimmt auch seiner eigenen Partei, für die er doch ganz offensichtlich mit seinem Auftreten auf der bundes- und europapolitischen Bühne den Wahlsieg in Bayern klar machen möchte.

Dass dieser Schuss nach hinten losgeht, ist für mich so sicher wie das Amen in der Kirche. Böse Zungen behaupten gar, Seehofer habe dieses Theater inszeniert, um Söder als bayerischen Ministerpräsidenten zu verhindern. Wie dem auch sei, bis zur Bayern-Wahl im September müssen wir bestimmt noch diese Ränkespiele auf der Polit-Bühne mitansehen oder – besser gesagt – ertragen. Aber ich kann und will mir diesen Blödsinn nicht weiter ansehen, weil es nervt und an anderer Stelle blockiert.

Klar weiß ich: Als Hauptgeschäftsführer einer Kreishandwerkerschaft kann ich so laut rufen wie ich möchte, mein Einfluss auf Herrn Seehofer und Co. bleibt mehr als bescheiden. Aber wer hat denn überhaupt noch die Möglichkeit, dieses unsägliche Polit-Theater in Berlin um den Umgang mit Flüchtlingen zu stoppen?! Mal ganz ehrlich: Haben wir nicht auch noch ein paar andere Sorgen in Deutschland als die Flüchtlingsfrage? Und welcher Partei spielt eine solche Diskussion in die Karten?

Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Natürlich bieten die weltweiten Migrationsbewegungen und deren Ursachen echten Anlass zur Sorge. Die Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf ist in Deutschland ein Beispiel dafür, wie nicht nur geredet, sondern sich aktiv um das Thema gekümmert wird. Aber ein solches Thema kann und darf in einem Land wie Deutschland nicht das alleinige Thema sein, das in den kommenden Jahren über die Zusammensetzung von Bundes- und Landesregierungen entscheidet. Das aktuelle Berliner Theaterstück ist brandgefährlich für unser System und unsere Gesellschaft!

Warum aber bedient man sich überhaupt der Populismus-Maschinerie der rechten Randparteien, anstatt sich auf die wesentlichen Punkte zu konzentrieren? Warum lassen Sie, Herr Seehofer und Ihre Parteifreunde von der CSU, andere Herausforderungen in unserem Land offensichtlich kalt? Mein Gemüt erhitzen in diesen Tagen wirklich andere Probleme!

Zum Beispiel die Fachkräftegewinnung. Nicht nur die Verantwortlichen im Handwerk spüren deutlich, dass sich immer weniger junge Menschen für eine Berufsausbildung entscheiden. Manch einer qualifiziert sich über viele Jahre hinweg hemmungslos an den Bedürfnissen der Wirtschaft vorbei, anstatt die vielfältigen Möglichkeiten und Chancen auf (Berufs-)Ausbildung und Qualifizierung in der heutigen Arbeitswelt zu beachten. Vor diesem Hintergrund ist der Vorstoß der neuen Bundesbildungsministerin Anja Karliczek nur zu begrüßen. Sie setzt sich dafür ein, berufliche und akademische Fort- und Weiterbildung auch finanziell gleichzustellen und rückt die Ausbildung wieder in den Fokus von Bildung und Wirtschaft. Das hat sie während der jüngsten Lossprechungsfeier unserer Kreishandwerkerschaft noch einmal klar betont. Ganz nebenbei hat sie gezeigt, dass viele Politiker auch heute einen guten Job machen. Schade nur, dass die andere Sorte so oft im Rampenlicht steht – vielleicht, weil diese sich einer einfachen Sprache bedient, die gerne von den Boulevardmedien aufgegriffen und leider auch noch verstärkt wird.

Was mir sonst noch einfällt an drängenden Herausforderungen? Wo soll ich anfangen? Pflegenotstand, Digitalisierung, Altersarmut, Wohnungsnot, das Auseinanderdriften der Gesellschaft, Überreglementierung, Investitionsstau in der Infrastruktur, der nur schleppende Breitbandausbau, Investitionen ins Bildungssystem und, und, und.

Vielleicht bin ich ein Stück weit naiv, aber ich bin überzeugt, dass mit guter inhaltlicher Arbeit noch immer Wahlen zu gewinnen sind. Dieses ist natürlich nicht immer in einer Legislaturperiode dem Wähler sichtbar zu machen, die Frage ist nur, welche Form der Politik schadet und welche nutzt uns und bringt uns weiter? Ich glaube, die Menschen warten nur darauf, dass man sie mit ihren ganz alltäglichen Problemen wahrnimmt.

Oder meinen Sie wirklich, dass es besser ist, die Menschen mit künstlich aufgebauschten Themen wie der Asyl-Problematik zu verunsichern, um ihnen dann großzügig Zuflucht anzubieten? Warum aber sollten solche Wählergruppen ausgerechnet zu den bürgerlichen Parteien gehen anstatt gleich zum rechten Original?! Die von Herrn Seehofer geforderten Maßnahmen würden aktuell ca. fünf (!) Flüchtlinge am Tag betreffen. Wenn sich aufgrund dieser Tatsache in einem Land die Hochfragewerte der rechten Parteien so manifestiert haben, sollten die Regierungsverantwortlichen nicht die Flüchtlingspolitik, sondern die Bildungspolitik überdenken.

Was viele Politiker in diesen Tagen übersehen: Wer klare Perspektiven eröffnet, wie Pflegenotstand, Wohnungsmangel, Digitalisierung oder Altersarmut begegnet werden könnte, erschließt sich eine nicht minder große Zahl potenzieller Wähler – und trägt zum Erhalt unserer Demokratie bei!

Darüber sollten Seehofer & Co. mal nachdenken. Während der anstehenden parlamentarischen Sommerpause haben sie dazu Zeit. Bleibt nur zu wünschen, dass sie diese nicht länger mit ihrem grässlichen Sommertheater vertändeln!

Ich wünsche Ihnen einen erholsamen und inspirierenden Sommer – und allen neuen Azubis einen tollen Start ins Berufsleben am 1. August!

Ihr

Frank Tischner

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