Fair miteinander kämpfen
Die Bundestagswahl ist Geschichte, der offizielle Sieger steht, wenn auch nur mit knappem Vorsprung, fest und doch ist die Wahlnachlese noch nicht beendet. Die Sondierungsgespräche laufen, und die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen werden mit Spannung erwartet.
Den letzten Wahlkampf möchte ich einmal nutzen und einen kleinen persönlichen Rückblick darauf verwenden. Wenn ich auf den diesjährigen Wahlkampf zurückblicke, so stößt doch eins nach wie vor bitter auf: der Umgang der Parteien untereinander und insbesondere die teils unfaire Zurschaustellung ausgewählter Einzelpersonen – nicht nur durch gegnerische Parteien und Medien, sondern ebenso durch die eigene Mannschaft.
Eine Frage der Perspektive
Es kommt immer auf die Perspektive an, das wissen wir. Und natürlich ist ein Wahlkampf auch kein Kuschelkurs oder Selbstläufer, doch haben wir dies wohl noch in keinem Bundestagswahlkampf deutlicher vor Augen geführt bekommen als in diesem Jahr. Nie hat Social Media eine größere Rolle im Wahlkampf gespielt. Parteien haben potenzielle Wählende und Nichtwählende gezielt mit Auszügen ihres Parteiprogramms umworben und gewünschte Inhalte bezahlt verbreitet. Es wurden Gruppenfotos so beschnitten, dass die Herren der Schöpfung nicht mehr zu sehen waren und die Partei war stolz auf die zur Schau gestellte „Frauenquote“. Es wurde ein Lacher zur falschen Zeit am falschen Ort ebenso medial „ausgeschlachtet“ wie ein vermeintlich nicht vorhandener Regenschirm, den es dann aber doch gegeben hatte – nur war dieser auf dem viral gegangenen „Schirm-Tweet“ schlicht und einfach nicht zu sehen gewesen. Doch „in real life“ gab es ihn, den im Netz empört vermissten Regenschirm.
Das Problem der Medienwirklichkeit gab es schon immer – auch bei Zeitungen, Radio oder TV. Was dort veröffentlicht wird, nimmt man erst einmal als Wirklichkeit wahr. Dies geschieht allerdings vor dem Hintergrund, dass man weiß, wer oder was dahintersteckt: vor allem Journalisten, die mit ihrem Namen für Qualität und Richtigkeit der Informationen stehen oder im anderen Fall auch Rede und Antwort stehen müssen. Das ist bei den Sozialen Medien anders: da werden unter Pseudonymen Gerüchte, Mutmaßungen und Meinungen als Nachrichten und Tatsachen verkauft, und die traditionellen Nachrichtenquellen mit Titeln wie „Lügenpresse“ und „Fake News“ belegt. Man weiß noch nicht einmal, ob eine reale Person postet oder ein Bot aus Russland
Wenn wir uns dessen bewusst sind, können wir Bilder besser einordnen und laufen nicht Gefahr, Aussagen ohne ihren ursprünglichen Kontext zu bewerten und uns vorschnell ein Urteil zu bilden.
Wie immer liegt es an uns. Denn wir sind diejenigen, die häufig nur das sehen (wollen), was in unser Bild passt. Wir hören zu, wenn etwas in unseren Ohren wie Musik klingt und blenden alles andere aus. Das ist einseitig und sehr gefährlich.
Handwerk hält sich parteipolitisch raus
In der Kreishandwerkerschaft bemühen wir uns, stets offen und mit fairen Mitteln an unser aller Ziel zu kommen: ein gutes Miteinander im Handwerk und in unserer Gesellschaft. Auch bei uns gibt es Wahlen in den Innungen. Auch hier treffen Menschen aufeinander, die Marktbegleiter und vielleicht anderer Meinung sind. Allen gemein ist, dass sie sich im Handwerk (oft ehrenamtlich!) für die Sache engagieren – sei es die Ausbildung, Tarife, gewerkliche Interessen etc. – und dafür zusammenarbeiten. Für das gemeinsame Ziel wird häufig über den eigenen Schatten gesprungen und sich parteipolitisch rausgehalten. Denn was im Handwerk zählt ist, dass Menschen etwas bewegen wollen und dafür offen miteinander sprechen, sich ehrlich und auf Augenhöhe begegnen und verantwortungsvoll handeln. Und wenn es einen Kampf für die gute Sache erfordert, so sollte dieser doch immer mit fairen Mitteln ausgetragen werden.
In welcher Tonlage wir in diesem Land debattieren, mit welchen Worten wir in dieser Gesellschaft Gespräche führen, das ist etwas, auf das jede und jeder von uns Einfluss hat. Wir selber prägen das Debattenklima in unserem Lande. Umso erschreckender sind Beispiele wie Markus Söder, der einen Armin Laschet nach der Wahlniederlage wir Achilles den toten Hektor dreimal um die Mauern von Troja schleift. Ich wünsche mir, dass auch unsere Politikerinnen und Politiker (wieder) vernünftig miteinander umgehen – ohne verbale Schläge unter die Gürtellinie – und das demokratische Miteinander mit dem Blick nach vorne möglichst schnell wieder auf der politischen Agenda für unser Land steht, Themen und Herausforderungen haben wir genügend. Die erfolgten Sondierungsgespräche lassen mich hoffen, dass ein konstruktives Miteinander und vertrauensvolle Gespräche auch in der Politik (wieder) möglich sind.
Ihr Frank Tischner