Handwerk neu gedacht – eine Chance nach der Krise

Haben wir aktuell eine Rezession, und zwar so richtig?  Viele erinnern sich noch an die Weltwirtschaftskrise 2008. Hier waren allerdings nur einige Wirtschaftsbereiche betroffen. Der Unterschied ist nun, dass es aktuell durch alle Branchen und Wirtschaftsbereiche geht, ohne Wenn und Aber. Wir alle betreiben einen enormen Aufwand, um Schadensbegrenzung betreiben, weil das Fatale an dieser Rezession ist, sie kam ohne Vorwarnung, und wir wissen nicht, wie lange sie dauern und wann die Wirtschaft wieder störungsfrei laufen wird.

Komfortabel ist die Situation in Zeiten der Corona-Krise mit Sicherheit für niemanden von uns. Denn neben den wirtschaftlichen Schäden greifen die Maßnahmen tief in den Kern unseres Privatlebens ein. Noch nie waren die Zeitungen, die Radiobeiträge und das Internet mit den sozialen Medien so voll mit Zahlen und Bildern von kranken Menschen. Virologen zeigen uns stündliche neue Szenarien auf, verbunden mit dem Hinweis, was mit Blick auf Italien noch alles passieren wird. Aber brauchen wir neben den Hygienemaßnahmen und dem Mundschutz nicht auch eine Strategie, wie wir, das Handwerk, uns auf die Zeit nach „Corona“ vorbereiten? Dies ist kein Zweckoptimismus oder Realitätsflucht. Ich würde mich einfach gerne heute schon mit der Frage beschäftigen, wie der wirtschaftliche und gesellschaftliche Stillstand durchbrochen werden kann und mit welcher Sicht wir nach der Krise auf uns blicken.

Ich bin kein Mediziner, daher kann ich in dem Bereich niemandem helfen, indem ich wie viele andere mit irgendwelchem Halbwissen und nach der Devise „Ein Volk von 82 Mio. Bundestrainern“ hier unterstützen bzw. zu einer größeren Verwirrung beitragen könnte. An dieser Stelle vielleicht auch der Rat an so einige Mitmenschen, gerne zu Themen, von denen man keine Ahnung hat, einfach mal den Mund zu halten.

Was meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ich definitiv aber können, ist Bildung, Handwerk und Wirtschaft. Dieses haben wir mehrfach erfolgreich und insbesondere gerade in der jetzigen Situation konkret unter Beweis gestellt. Aktuell arbeite ich für das Handwerk in der Region und für die Kreishandwerkerschaft an einem „Scenario Planning“, eine Methode, die sich mit einer strategischen Planung beschäftigt, um die möglichen zukünftigen Entwicklungen zu analysieren und zusammenhängend darzustellen. Die aktuelle Problemstellung wird hierbei sein, über welchen Zeitraum der Krise wir sprechen und ob wir es schaffen, die Schäden zu minimieren. Dieses ist ein komplexer Prozess, um in alle Richtungen zu denken und zu planen. Neben den Zahlen meiner Planung wird nach „Corona“ aber mit Sicherheit auch die Frage gestellt werden: „Was ist wirklich wichtig?“ Ist es die Familie, das ehrenamtliche Engagement in der Zivilgesellschaft, die Arbeit, die Politik oder was auch immer? Ist es nicht gerade jetzt in dieser Zeit, in der wir körperlichen Abstand halten müssen, dringend notwendig, dass wir selbstkritisch den einen oder anderen Punkt innerhalb der Gesellschaft hinterfragen? Beschämende Bilder aus Fußballstadien, Angriffe auf Rettungskräfte und Beleidigungen in den Sozialen Netzwerken werden, und das ist meine Hoffnung, dann hoffentlich der Vergangenheit angehören. Schaffen wir es wirklich nach dieser Krise über einige Dinge neu nachzudenken oder verfallen wir wieder in alte Rollenmuster? Wäre es gerade jetzt nicht an der Zeit, über einige gesellschaftliche Entwicklungen neu nachzudenken? Sehr positiv nehme ich z.B. wahr, dass es rechts und links der politischen Ränder sehr ruhig geworden ist, weil jetzt Inhalte und Lösungen gefragt sind und von dort nichts kommt. Wir können uns glücklich schätzen, dass unsere politischen Gremien auf der Grundlage einer funktionierenden Demokratie agieren, fraktionsübergreifend zum Wohl der Menschen arbeiten und sich nicht auf den Gefechtsstand der parteipolitischen Lager und ferngesteuerter Interessenpolitik begeben.

So wird, nicht jetzt, aber nach der „Corona“-Krise mit Sicherheit auch die Frage gestellt werden, was sind eigentlich systemrelevante Berufe? Die Bewertung dazu wird bestimmt später auch von mir in meinen Vorträgen neu erfolgen. Bislang habe ich immer über Wertschätzung gesprochen, heute würde ich in meinen Vorträgen einen Schritt weiter gehen und auch über die (Handwerks-) Berufe sprechen, die nicht erst jetzt, sondern schon immer den Laden am Laufen gehalten haben – wir haben es nur nicht gemerkt. Systemrelevant sind nämlich nicht nur die Berufe, in denen Menschen als medizinisches Personal in Kliniken und Pflegeheimen arbeiten oder bei Polizei und Feuerwehr. Natürlich ist auch hier das Handwerk mit vielen seiner 130 Berufe zu nennen. Denn es sind genau diese Menschen, die z.B.  im Lebensmittelhandwerk arbeiten, die sich um die Strom- und Wasserversorgung kümmern oder die Installationen in den Krankenhäusern warten, die unser System aufrechterhalten. Erst jetzt merkt man, wo es um das Existenzielle geht, wie wichtig gerade auch diese Handwerksberufe sind.

Ein paar kleine Viren haben uns knallhart vor Augen geführt, dass wir sehr verletzbar sind und uns nicht isoliert auf dieser Welt befinden und bewegen. Die gesamte Gesellschaft sitzt in einem Boot und ist voneinander abhängig, auf allen Ebenen. Vielleicht hilft diese Erfahrung dann auch, grundlegend über andere Dinge eine neue Form der (Werte-) Diskussion zu führen: Ob es um die gesellschaftliche Bedeutung, die das Handwerk hat, geht oder um das Klima. Wir sehen, dass aktuell sehr viel geht. Die Ausrede „es geht nicht“, wird es so nicht mehr geben. Was wir nur brauchen ist der Wille zur Veränderung, Optimismus und gesellschaftlicher Zusammenhalt. Dann können wir vieles erreichen, dann kann und muss man auch sagen „Wir schaffen das“.

Bleiben Sie gesund und passen Sie gut auf sich auf – in diesen Tagen und in Zukunft.

Ihr

Frank Tischner

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