Internationales Engagement in Nah- und Fernsicht

Wenn man mit mir im letzten Monat etwas zu besprechen hatte, dann war es nicht ganz einfach, denn mein „Büro“ war mein Laptop und mein Smartphone, und beide befanden sich mal in einem Hotelzimmer in Richards Bay (Südafrika), in Maputo (Mosambik) oder in Amman (Jordanien). Aber ich war erreichbar für die Innungsbetriebe in den Kreisen Steinfurt und Warendorf, den Netzwerkpartnern in Deutschland und natürlich auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf. Dem Motto der KH und meinem persönlichen Anspruch, „wir antworten“, konnte ich gerecht werden – auch wenn die letzte Mail gegen 2 Uhr nachts Ortszeit versendet wurde und die eingehenden Nachrichten noch vor dem Frühstück gesichtet wurden. Dank der modernen Kommunikationstechnik und dem Internet ist die Welt kleiner und der Aktionsradius größer geworden. Sonst wäre das Engagement der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf im Bereich der internationalen Bildung und der Berufsbildungspartnerschaften in Afrika auch nicht zu schaffen.

„Warum tut man sich das überhaupt an?“, wird sich an dieser Stelle so mancher fragen. „Was haben wir Münsterländer gemein mit Afrika oder dem Nahen Osten? Was haben die Handwerksbetriebe von diesen Aktivitäten?“ Unter vorgehaltener Hand werden auch schon manchmal Mutmaßungen angestellt, dass der Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf nicht ausgelastet sei und durch die Welt gondelt, sich um Afrikaner kümmert und die heimischen Handwerksbetriebe vernachlässigt. Wie bei jedem Stammtisch-Gerede ist es schwer, dagegen anzugehen, denn es wird einem ja zumeist nicht ins Gesicht gesagt. Deshalb will ich diesen Blog nutzen, um einiges gerade zu stellen.

Zunächst einmal: Nein, ich leide als Hauptgeschäftsführer einer Kreishandwerkerschaft mit rund 2.400 angeschlossenen Mitgliedsunternehmen und rund 130 Beschäftigten weder an Unterbeschäftigung noch an Langeweile. Dass die tagtägliche Arbeit für die Kreishandwerkerschaft auch bei den Auslandsaufenthalten weitergeht, habe ich ja schon beschrieben. Zudem besteht die Kreishandwerkerschaft ja nicht nur aus meiner Person. In den letzten acht Jahren meiner Tätigkeit als Hauptgeschäftsführer war es nach der Restrukturierung der Kreishandwerkerschaft vor allem mein Ziel und meine selbstgestellte Aufgabe, neue Strukturen in den Finanzen, der Organisation, der Kultur und auch zu den Mitarbeiter/-innen zu schaffen. Ein gut eingespieltes und erfahrenes Mitarbeiter-Team kümmert sich tagtäglich um die Belange der Mitgliedsbetriebe oder um die der Teilnehmer an Bildungsveranstaltungen im Haus – und dies intensiver und spezialisierter als dass ich das als Generalist, der ein Hauptgeschäftsführer nun mal ist, vermag.

Und nein, ich lasse mir meine anstrengenden Geschäftsreisen nicht von den Mitgliedsunternehmen finanzieren – zum einen konnte ich meiner Reiselust privat und während meiner früheren Beschäftigung ausreichend frönen (und hätte mir dann auch wahrscheinlich Reiseländer mit mehr Komfort ausgesucht), und zum anderen werden die internationalen Bildungsprojekte durch Fördermittel und nicht durch Innungsbeiträge finanziert. Und eine Förderung durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) erfolgt bestimmt nicht, um meinem Ego zu schmeicheln, sondern als Anerkennung des Wertes und der Qualität der Arbeit, die die Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf beispielsweise mit ihren Berufsbildungspartnerschaften in Südafrika und – jetzt neu – in Mosambik leistet.

Doch kommen wir zu der zentralen Frage: Was hat das heimische Handwerk von den internationalen Bildungsaktivitäten der Kreishandwerkerschaft? Dazu vielleicht eine kleine Anekdote, die es vielleicht verständlicher macht. Ein hochrangiger Mitarbeiter im südafrikanischen Bildungsministerium hat die Berufsbildungspartnerschaft der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf mit dem uMfolozi College von Anfang an mit großem Interesse und viel Begeisterung verfolgt und unterstützt. Als das Ministerium weitere Projekte in Kooperation mit Deutschland plante, drang er darauf, dass in den Projektbeschreibungen auf jeden Fall die „Kreishandwerkerschaft“ mit einbezogen werden sollte, und zwar „die“ Kreishandwerkerschaft. Meinen Hinweis, dass es mehrere Kreishandwerkerschaften in Deutschland gibt, wollte er nicht hören, für ihn gibt es in einer solchen Qualität nur „eine“ Kreishandwerkerschaft – nämlich uns. Damit wurde die „Kreishandwerkerschaft“ zu einem Marken- und Qualitätsbegriff für die berufliche Bildung in ganz Südafrika.

Wichtig ist dabei vor allem das Kernwort „Handwerk“. Die Ausbildungsleistung des Handwerks, die Vorzüge einer betrieblichen Ausbildung im dualen Ausbildungssystem, die Einbeziehung der Wirtschaft in die Organisation und Durchführung der Berufsausbildung – all dies passiert hier bei uns und ist Vorbild in der ganzen Welt. Länder wie Südafrika und Mosambik sehen hier die Chance, jungen Menschen in ihrem eigenen Land durch Berufsbildung Zukunftsperspektiven zu bieten. Und wenn es, wie in dem Projekt in Jordanien unter anderem darum geht, Fluchtursachen zu bekämpfen, dann ist unser internationales Engagement auch ein gesellschafts- und wirtschaftspolitischer Beitrag. Nur wenn man die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Heimatländern ändert, wird man Wirtschaftsmigration nach Deutschland eindämmen können. Mehr Bildung bedeutet bessere Chancen und wirtschaftliche Entwicklung im eigenen Land und ist – anders als rassistische und nationalistische Ausfälle – eine wirksame und den Menschen in diesen Ländern zugewandte Maßnahme. Solidarität und Verantwortungsbewusstsein, das, was das Handwerk seit jeher prägt, wird von mir umgesetzt und vorgelebt. Dieses Engagement würde ich mir gerade in der heutigen Zeit in unserer Gesellschaft an mancher Stelle stärker wünschen.

Dank unserer internationalen Bildungsprojekte, in denen wir immer auch Innungsmitgliedsbetriebe mit einbeziehen, können Handwerksunternehmen Erfahrungen und Kontakte im internationalen Bereich sammeln und die Außenwahrnehmung des Handwerks verbessern. Durch den Einsatz von eigenem Personal, Auszubildenden oder Mitarbeitern von Mitgliedsbetrieben ermöglichen Berufsbildungspartnerschaften zudem für Beschäftigte Erfahrungen im internationalen Bereich. Dies erhöht die Mitarbeitermotivation, trägt zur persönlichen Entwicklung der Mitarbeiter bei und erhöht die Attraktivität einer Beschäftigung im Handwerk.

Selbstverständlich werden wir als Kreishandwerkerschaft auf allen politischen Ebenen durch das Engagement anders wahrgenommen, und das Gesamthandwerk präsentiert sich in allen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Ebenen als offen, modern und innovativ.

Unsere internationalen Aktivitäten sind für die beteiligten Personen sehr herausfordernd. Es ist anstrengend und bedeutet Mehrarbeit und Verzicht im privaten Bereich. Es bereichert aber auch die Arbeit für das Handwerk und seine Betriebe im Bereich der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf. Der Fokus meiner Arbeit bleibt auf die Betriebe und Menschen in den Kreisen Steinfurt und Warendorf gerichtet, aber dank der auf meinen Reisen gemachten Erfahrungen, der Gespräche und Begegnungen mit engagierten Unternehmern, Ausbildern und Vertretern von Behörden, Institutionen und Ministerien wie auch vor allem jungen Menschen in diesen Ländern hat sich mein Blickfeld geweitet, und dies ist notwendig für ein verantwortungsbewusstes Handeln – lokal wie global.

Ihr

Frank Tischner

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