Änderung der Nationalhymne wäre ein schlechter Abgesang auf die Frauenbewegung

Ich weiß. Wenn ich als Mann über Gleichberechtigung spreche, dann kann ich mich eigentlich nur in die Nesseln setzen. Aber gern nehme ich ein paar Blessuren in Kauf, als dass ich diesen Humbug unwidersprochen hinnehme. Was mich auf die Palme bringt? Pünktlich zum Internationalen Frauentag am 8. März fordert die Gleichstellungsbeauftragte des Bundesfamilienministeriums, den Text der deutschen Nationalhymne zu ändern. Statt „Vaterland“ sollen wir nach dem Willen von Kristin Rose-Möhring demnächst das „Heimatland“ besingen. Und wir sollen uns auch nicht mehr „brüderlich“, sondern „couragiert mit Herz und Hand“ verhalten.

Geht’s noch? Haben wir hierzulande in Sachen Gleichberechtigung nicht vielleicht ganz andere Probleme als den Text unserer Nationalhymne? (Kleiner Tipp: Unterschiede in der Bezahlung von Frauen und Männern usw..) Ich bin der Meinung, dass die Gleichstellungsbeauftragte ihren Geschlechtsgenossinnen mit ihrem Vorstoß einen Bärendienst erwiesen hat. Denn mit solch widersinniger Forderung gibt die Initiatorin sämtliche Bestrebungen zur Gleichbehandlung von Frau und Mann unnötigerweise der Lächerlichkeit Preis.

Denn wo bitteschön fängt sprachliche Diskriminierung an? Meiner Meinung nach bestimmt nicht bei Begrifflichkeiten wie „Vaterland“. Schließlich spreche auch ich als Mann meine „Muttersprache“, ohne, dass ich mich irgendwie übergangen fühle. Und als August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1841 das „Lied der Deutschen“ dichtete, stand der Ausdruck „Brüderlichkeit“ weniger für den Zusammenhalt unter männlichen Geschwistern als vielmehr für Solidarität in einer Gemeinschaft.

Ich bin der Meinung, dass solch platte sprachliche Gleichmacherei in unserem Land keine Frau (und auch keinen Mann) weiterbringt. Ebenso wenig wie staatlich verordnete Frauenquoten. Und Hand aufs Herz – benötigt ein Bundesfamilienministerium wirklich eine Gleichstellungsbeauftragte? Aber das ist eine andere Geschichte.

Ganz ohne institutionelle Organe zur Frauenförderung kommt das Handwerk aus. Wir engagieren uns in vielen Bereichen, um jungen Frauen die Attraktivität von Handwerksberufen näherzubringen. Daher machen die Frauen, die sich für einen Handwerksberuf entschieden haben, in der Regel auch so ihren Weg. Unbestritten ist sicher, dass es – aus den unterschiedlichsten Gründen – noch immer viel zu wenige Frauen im Handwerk gibt. Ich kenne von Berufs wegen viele Handwerkerinnen: Auszubildende, Gesellinnen, Meisterinnen und Führungskräfte. Sie alle habe ich bisher stets als selbstbewusste, zielstrebige und kompetente Persönlichkeiten erlebt.

Auf der gerade stattfindenden Internationalen Handwerksmesse habe ich zum Beispiel eine junge Optikerin kennengelernt, die mit 23 Jahren ihr eigenes Unternehmen gegründet hat und nun mit 26 Lebensjahren sehr erfolgreich führt. Ich hatte nicht den Eindruck, dass ihr Möglichkeiten und Chancen verbaut wurden, nur weil sie eine Frau ist!? Daher sprechen wir über „Fachkräfte“ im Handwerk, und es ist egal, ob es sich dabei um eine Frau oder einen Mann handelt. Dieses gilt übrigens nicht nur für die Arbeitnehmerseite, sondern insbesondere auch für die Arbeitgeberseite (Ja, ich rede jetzt nur von Arbeitgeberseite, denn wir sind als Kreishandwerkerschaft ein Arbeitgeber- und nicht ein Arbeitgeber- und ArbeitgeberinnenverbandJ). Das Handwerk bietet hervorragende Perspektiven, zum Beispiel ein bestehendes Geschäft zu übernehmen und sich selbstständig zu machen – für Frau und Mann.

Mal ganz davon abgesehen, dass das Handwerk eine Vielzahl an spannenden und zukunftsorientierte Tätigkeiten bietet. Viele Arbeitgeber im Handwerk bestätigen mir, dass sich die weiblichen Auszubildenden im Betrieb nicht nur in der Berufsschule oftmals leichter zurechtfinden und klarkommen als die Jungen.

Zugegeben: Ein junges Mädchen, das sich für eine Ausbildung in einem Handwerksberuf entscheidet, darf zuweilen nicht allzu zart besaitet sein, wenn es um den Ton am Arbeitsplatz geht. An dieser Stelle haben die männlichen Akteure im Handwerk sicher noch das ein oder andere nachzuholen. Aber das gilt inzwischen längst nicht mehr nur für den Umgang mit Kolleginnen. Denn auch viele männliche Jugendliche schätzen heute einen zurückhaltenden Umgang miteinander und reagieren empfindlich auf allzu rüde Kommunikation im beruflichen Umfeld. Hier hat sich und hier wird sich noch einiges ändern.

Ich kann junge Frauen nur ermutigen, ihr Augenmerk bei der Berufswahl auch auf das Handwerk zu richten. Denn es ist mehr als schade, dass so viele Jugendliche noch immer an tollen Chancen für das (Berufs-)Leben vorbeischauen. Vielleicht sollte eine Gleichstellungsbeauftragte mal ihren Finger in solche Wunden legen. Denn eine Textänderung in der Nationalhymne ist für mich lediglich ein schlechter Abgesang auf die Frauenbewegung.

Ihr
Frank Tischner

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