Wasch mich – Mach mich nicht nass!
Von der Macht und Verantwortung der Verbraucher
In Warendorf, einem der Standorte der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf und Kreisstadt, gibt es seit einigen Tagen großes Wehklagen. In der Lokalpresse erschien nämlich die Meldung, dass das einzige große Lebensmittelgeschäft in der Altstadt im Oktober schließen wird, weil es sich nicht rechnet. „Wo soll denn nun die „lebensältere“ Kundschaft einkaufen?“, sorgt sich nun so mancher Bürger und fordert, dass „man“ etwas unternehmen müsse, damit auch die Älteren und nicht so Mobilen ihren täglichen Bedarf einkaufen können. Doch wer sollte dieser „man“ sein? Der Bürgermeister und der Wirtschaftsförderer? Sie können wohl keinen Lebensmittel-Händler herbeizaubern, wenn die Ansiedlung nicht wirtschaftlich interessant ist, und das ist sie wohl nach der Aussage des bisherigen Betreibers schon seit Jahren nicht mehr.
Auf den ersten Blick hat dieses Mitgefühl für die älteren Mitbürger etwas von sozialer Wärme. Doch dann kommt mir der Gedanke: „Das habt Ihr denen doch eingebrockt!“ Wenn man seine Einkäufe bequem mit dem Auto beim Discounter am Stadtrand erledigt und nur den Lebensmittelmarkt in der Innenstadt betritt, weil man einen kurzfristig festgestellten Mangel an Eiern oder Zucker decken will, sorgt doch dafür, dass sich ein solches Ladengeschäft nicht trägt. Ein Ladengeschäft ist keine soziale Einrichtung, auch wenn es oftmals dazu beiträgt, dass soziale Kontakte mit den Mitbürgern dort gepflegt werden. Ein Geschäft ist ein Wirtschaftsbetrieb, bei dem am Monatsende etwas übrig bleiben muss, damit sich die unternehmerischen Investitionen lohnen und man sich leisten kann, auch Kunden mit dem kleineren Geldbeutel und Rollator als Dienstleister zur Verfügung zu stehen.
Es ist diese „Wasch mich – Mach mich nicht nass“-Mentalität vieler Menschen heutzutage, die mich immens ärgert. Dann ist das Jammern, wenn die einzige Buchhandlung oder das letzte Fleischer-Fachgeschäft im Ort schließt, nur scheinheilig, wenn man gleichzeitig bei einem großen Online-Versandhändler seinen Lesestoff bestellt, weil es bequemer ist, oder in die Fleischtheke beim Discounter greift, weil es so billig ist, dass Katzenfutter auf den Kilopreis gerechnet teurer ist als das Fleisch für den menschlichen Verzehr. Verbraucher haben heute viel Macht, sie tragen aber auch Verantwortung.
Mich ärgert auch das immer wieder aufgegriffene Thema der armen Friseurin, die viel zu wenig verdient. Wohlgemerkt: Ich gönne und wünsche jeder Friseurin nach einer dreijährigen Berufsausbildung und einem Gesellenabschluss einen höheren Verdienst, der den Wert ihrer Arbeit widerspiegelt. Dann muss ich aber auch bereit sein, einen höheren Preis bei meinem Friseursalon zu zahlen. Denn gerade im Friseurhandwerk haben die Personalkosten einen hohen Anteil am kalkulierten Endpreis. Das kleine Häufchen Shampoo oder Haarschaum werden ja wohl nicht den größten Teil des Preises ausmachen, den man zum Schluss bezahlen muss. Aber erhöht man die Preise, dann weichen manche ganz schnell auf die Schwarzarbeiterin aus, die ja keine Steuern und Abgaben, geschweige einen Lohn mit Lohnzusatzkosten an Mitarbeiter, bezahlen muss. Doch wenn nicht der Kunde, wer sonst soll denn der Friseurin den von allen gegönnten höheren Lohn finanzieren? So funktioniert nun mal die Marktwirtschaft.
Natürlich gibt es auch Menschen unter uns, für die ist der Preisunterschied eines Schweineschnitzels zwischen Discounter und Fleischerfachgeschäft die Entscheidung, ob man sich überhaupt Fleisch leisten kann oder nicht. Selbstverständlich gibt es Familien, für die bedeutet Haarpflege in erster Linie ordentlich aussehen. Für modisches und stylisches Aussehen fehlt einfach das Geld. Das will ich gar nicht wegdiskutieren. Doch es gibt auch die Haltung vieler, die sich Steak wie auch eine fachgerechte Colorierung der Haare leisten können, es aber so günstig wie möglich haben möchten. Lebensmittel im Einzelhandel, Bücher, elektronische Artikel und Kleidungsstücke im lokalen Fachhandel oder eben den Haarschnitt können ja die anderen einkaufen, damit die Stadt lebenswert bleibt und es keine hässlichen Leerstände in der Geschäftsstraße gibt. Doch wer sind die „Anderen“? Man steht selber im Stau und beklagt sich über die anderen Verkehrsteilnehmer und das Verkehrsaufkommen. Da sollte man sich mal an die eigene Nase fassen und schon hat man „die Anderen“ gefunden!
Ihr
Frank Tischner
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