Nicht der Rede wert? Doch!

Wenn Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, dafür Dank oder gar eine Auszeichnung erhalten, höre ich oft: „Ach, das ist doch selbstverständlich“, „Nicht der Rede wert“ oder „Das würde doch jeder tun“. Und darauf antworte ich ganz klar: Eben nicht!

Dies darf nun nicht falsch verstanden werden, Ehrenamt zeichnet sich dadurch aus, dass es oft im Hintergrund stattfindet, wenn man allerdings nicht darüber spricht, läuft man Gefahr, dass es als selbstverständlich wahrgenommen wird und das ist es definitiv nicht. Zum Ehrenamt habe ich mich an vielen Stellen schon häufig geäußert und die Bedeutung aus meiner Sicht hervorgehoben. Ich finde, dass es höchsten Respekt verdient, wenn Menschen sich ehrenamtlich engagieren. Sie wenden dafür Zeit auf, in der sie an andere Menschen denken und für diese und damit unsere Gesellschaft etwas bewegen – sei es im nachbarschaftlichen Freundschaftsdienst, im örtlichen Verein oder in beruflichen Netzwerken auf überregionaler Ebene. Das soll jetzt kein Eigenlob sein, aber auch ich bekleide mehrere solcher Ehrenämter. Dies mag vielleicht an meiner Persönlichkeit liegen, gerne Verantwortung für Themen zu übernehmen und ein positives Beispiel für andere zu sein, oder auch „nur“ wegen der Tatsache, dass ich dankbar bin und anderen Menschen ein wenig „zurückgeben“ möchte. Wenn man mein näheres Umfeld fragt, so wird man die Antwort bekommen, dass ich vom Schlag Mensch bin, der „einfach macht“ statt viel zu reden. Doch ich habe auch gelernt, dass es wichtig ist, über das aus eigener Sicht Selbstverständliche zu sprechen. Denn nicht alle Menschen haben diese Sichtweise auf selbstloses Handeln zum Wohle der Gemeinschaft. Und wenn man nur eine Person durch den eigenen Bericht inspiriert, sich ebenfalls ehrenamtlich zu engagieren, hat es sich doch schon gelohnt.

Nicht ganz ehrenamtlich im Sinne des Wortes, aber für viele Arbeitgeber Ehrensache ist ihr Engagement im Bereich der Fürsorge für die Mitarbeiter*innen – und darüber zu sprechen hat auch etwas mit Marketing zu tun.

Von Obstkörben und Co.

Schon lange bevor im Personalmarketing der Begriff der Arbeitgeberattraktivität in aller Munde war, haben sich Arbeitgeber für ihre Mitarbeiter*innen engagiert. Dies ist meinem Empfinden der große Unterschied zwischen den familiengeführten Unternehmen und den großen Konzernen mit ihren Strukturen. Unsere Inhaber*innen im Mittelstand kümmern sich noch um „ihre Leute“ und sehen sie nicht als „Headcount“ und Kostenstelle. Dazu gehören für mich schon seit jeher ein stets offenes Ohr und eine helfende Hand in Notsituationen, und manchmal sind es nur die vermeintlichen Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachen.

Vielleicht mal ein zum sommerlichen Wetter passendes Beispiel:

Sie kennen die vielen Dachdecker*innen oder Mitarbeiter*innen auf den Baustellen, die der Sonne ungeschützt ausgesetzt sind – auf dem Dach oder dem Rohbau. Kürzlich berichtete mir ein Arbeitgeber, dass er für alle seine Angestellten kostenlos Sonnenschutz und weiße T-Shirts bereitstellt. Auf meine Frage, ob er das auch nach außen trage, kam wie aus der Pistole geschossen die Antwort „Das ist doch selbstverständlich.“

Im weiteren Gesprächsverlauf stellte sich heraus, dass dieser Arbeitgeber weit mehr für seine Beschäftigten tut und sogar aktiv für neue Mitarbeiter*innen mit auf Wohnungssuche geht und bei einem Mitarbeiter, der als Geflüchteter nach Deutschland kam, sogar selbst mit dem Vermieter gesprochen und sich verbürgt hat. Auf der Website des Unternehmens jedoch kein Wort davon. Warum nicht? Dem Arbeitgeber erscheint sein Handeln als Selbstverständlichkeit. Er ist bescheiden und glaubt nicht, dass er in seinen Stellenanzeigen dadurch attraktiver wirkt. Ich sage: Definitiv!

In kleinen Schritten zum Top-Arbeitgeber

Denn für viele Angestellte ist es eben nicht selbstverständlich, dass es während der Arbeit kostenlos Wasser gibt oder der Arbeitgeber ein Interesse daran hat, dass das neue Teammitglied möglichst schnell ein Zuhause und Anschluss findet. Bei großen Konzernen wird sofort eine Marketinglawine losgetreten, der Mittelstand macht es einfach und hält es für selbstverständlich – das ist für mich der kleine, aber feine Unterschied. Die Betriebe sollten ihre Scheu ablegen und von der Annahme Abschied nehmen, dass man beim viel zitierten Employer Branding man nur mit bereits vorhandenen Auszeichnungen als Top-Arbeitgeber etwas am leergefegten Arbeitsmarkt reißen könne. Dem ist meiner Meinung nach nicht so. Zudem ist es für viele Arbeitgeber nicht selbstverständlich, ihre Mitarbeiter*innen während der Arbeitszeit mit kostenlosen Getränken zu verpflegen. Wenn aber die, die es bereits wie selbstverständlich praktizieren, darüber sprechen, erfährt dieser „Umstand“ irgendwann Allgemeingültigkeit. Es sind oftmals die vermeintlichen Kleinigkeiten, die zählen. Was für Arbeitskleidung und Getränke am Arbeitsplatz gilt, lässt sich auch auf viele weitere Dinge wie den Obstkorb, das gemeinsame Feierabendgetränk, das JobTicket oder das JobBike etc. anwenden.

Tu Gutes und rede darüber

„Tu Gutes und rede darüber“ heißt es so schön in der PR. Und genau das sollten wir auch im Handwerk stärker praktizieren. Wir tun so viel Gutes und reden so selten darüber, weil wir oftmals zu bescheiden sind oder neben der Erledigung der Arbeit scheinbar die Zeit fehlt, etwas Eigenwerbung zu betreiben. Also lassen Sie uns wieder mehr darüber reden – oder wie ich in diesem Moment – schreiben, damit aus einer persönlichen Ehrensache irgendwann eine allgemeine Selbstverständlichkeit wird. Und vor allem, damit das Handwerk weiter floriert und auch mit der entsprechenden Wertschätzung in der Gesellschaft und Politik ausgestattet wird. Erst bei den jüngsten Gesellenprüfungen in den BildungsCentern der Kreishandwerkerschaft ist wieder aufgefallen, wie unverzichtbar die vielen ehrenamtlich tätigen Prüfer*innen für die Zukunft des Handwerks sind. An dieser Stelle mein ausdrücklicher Dank an alle Menschen, die sich zum Wohle anderer engagieren.

Ich hole mir jetzt erst einmal aus unserem Wasserautomaten eine neue Flasche Mineralwasser und fahre morgen mit meinem Job-Rad in unser Büro im Kreishaus nach Warendorf – in der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf ist das Wasser aus dem Wasserspender übrigens für alle Mitarbeiter*innen kostenlos und das Job-Rad können ebenfalls alle Mitarbeiter*innen für sich bestellen. Für uns Ehrensache!

Ihr Frank Tischner